Wohnraum auf Raedern
und spi e len einen Marsch, daß man das Ohrensausen kriegt ...«
»Son fertig?«
Die Tür singt in den Angeln. Korridor, Türe. Weiße Arme, bis zum Ellbogen entblößt.
»Mein Gott, lassen Sie mich ihn ausziehen!«
»Schauen Sie noch bei mir vorbei, ich warte.«
»Es ist schon spät ...«
»Nein, nein ... Das mag ich nicht hören.«
»Also gut.«
Lichtkegel. Ein Klingen, das anhebt. Die Dochte sind schon höher. Jerome ist überflüssig geworden – er liegt auf dem Fußboden. Im glimmenden Sichtfen-sterchen des Kochers eine kleine, lustvolle Hölle. Des nachts einen Psalm sing’ ich fromm. Irgendwie leben wir schon. Ja, ich bin einsam. Der Psalm ist traurig. Ich weiß nicht zu leben. Was mich im Leben am meisten quält, sind die Knöpfe. Sie fallen ab, als verfaulten sie. Einer löste sich gestern von der Weste. Heute einer vom Jackett und einer hinten von der Hose. Ich verst e he es nicht, mit Knöpfen zu leben. Er wird nicht ko m men. Er wird mich nicht erschießen. Sie sagte damals auf dem Korridor zu Natascha: ›Bald kommt mein Mann, und wir fahren nach Petersburg.‹ Aber keine Spur davon, daß er zurückkäme. Er wird nicht zurüc k kommen, glaubt mir. Schon sieben Monate ist er weg, und dreimal habe ich zufällig gesehen, wie sie weinte. Tränen kann man nämlich nicht verstecken. Aber er hat viel verloren, indem er diese weißen, warmen Arme verlassen hat. Das ist seine Sache, aber was ich nicht begreife, ist – wie er Slawka vergessen konnte ...
Wie fröhlich sang die Tür in den Angeln!
Die Lichtkegel sind weg. Im Sichtfensterchen herrscht schwarze Finsternis. Der Teetopf ist längst verstummt.
Das Licht der Lampe guckt mit tausend kleinen A u gen durch den schäbigen Satinschirm.
»Sie haben bemerkenswert schöne Finger. Sie hätten Pianistin werden sollen.«
»Wenn ich dann nach Petersburg ziehe, spiele ich wieder.«
»Sie werden nicht nach Petersburg ziehen. Slawka hat im Nacken dieselben Lockenkringel wie Sie. Und ich bin traurig, wissen Sie. Es ist alles irgendwie so fade. Das Leben ist unmöglich. Nichts als Knöpfe, Knöpfe, Knö...«
»Nicht küssen ..., nicht küssen ... Ich muß gehen ... es ist schon spät.«
»Sie sollen jetzt nicht gehen. Sonst fangen Sie wieder mit dem Weinen an. Wie immer.«
»Stimmt nicht. Ich weine nicht. Wer hat das gesagt?«
»Ich weiß es selbst. Ich sehe es selbst. Sie werden weinen, und ich, ich bin so traurig, so traurig ...«
»Wie kann es mir nur geschehen ... und Ihnen ...«
Die Kegel sind weg. Die Lampe scheint nicht mehr durch den schütteren Satinschirm. Dunkelheit. Du n kelheit.
Schluß mit den Knöpfen. Ich kaufe Slawka ein Fah r rad. Ich werde mir zum Frack keine neuen Schuhe anschaffen, werde des Nachts keinen Psalm mehr si n gen.
Ich kann nicht klagen, irgendwie leben wir schon.
1926
Das Feuer des Khans
Als die Sonne hinter den Föhren von Oreschnjewo versank und der trauernde Apoll vor dem Schloß im Schatten war, kam aus dem Anbau der Aufseherin Ta t jana Michailowna die Putzfrau Dunjka gelaufen und rief: »Jona Wassiljitsch! He, Jona Wassiljitsch! Kommen Sie, Tatjana Michailowna ruft Sie. Wegen der Führung. Sie ist krank. So eine Backe!«
Die rosige Dunjka drehte sich, daß ihr Rock sich blähte wie eine Glocke, zeigte ihre nackten Waden und eilte zurück.
Der gebrechliche Kammerdiener Jona warf den B e sen hin und trottete durch das Unkraut auf den niede r gebrannten Ruinen der Pferdeställe zu Tatjana Micha i lowna.
Die Läden am Anbau waren geschlossen, und schon im Vorraum roch es stark nach Jod und Kampferöl. Jona tastete sich durch das Halbdunkel und ging dem leisen Stöhnen nach. Auf dem Bett war in der Dunke l heit die Katze Mumka zu sehen und ein weißes Hase n fell mit riesigen Ohren, darin ein leidendes Auge.
»Sind’s die Zähne?« murmelte Jona mitleidig.
»Ja-a ...« – seufzte es aus dem Hasenfell.
»So was Dummes, so ein Pech!« meinte Jona tei l nahmsvoll, »da heult Cäsar schon die ganze Zeit ... ich sage zu ihm: du Idiot, warum heulst du mitten am he l lichten Tag? Das kann nur heißen, jemand stirbt bald. Nicht wahr? Halt’s Maul, Idiot. Sonst trifft’s dich. Hü h nerdreck muß man auflegen, dann vergeht’s sofort.«
»Jona ... Jona Wassiljitsch«, sagte Tatjana Micha i lowna schwach, »heute ist doch Besuchstag – Mit t woch. Und ich kann nicht hinausgehen. So ein U n glück. Gehen doch Sie mit den Besuchern durch. Zeigen Sie ihnen alles. Ich gebe Ihnen Dunja, soll sie mit
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