Wolf Shadow 01 - Wilks, E: Wolf Shadow 01
wies Richtung Flur.
Riechst du das? , fragte Benedict.
Ja, aber was ist das? Nichts Menschliches. Nichts, was Rule jemals zuvor gerochen hatte.
Die zwei schwarzen Augen sahen ihn scharf an. „Hört auf, über mich zu reden! Mir passt euer Geruch auch nicht, aber ich bin nicht so unhöflich, es auszusprechen.“
Rule fiel die Kinnlade herunter.
Das amüsierte sie. „Ich bin dir ein Rätsel, hm? Aber ich werde dir noch nichts verraten. Lily.“ Sie wandte sich ihrer Enkelin zu. „Ich bin alt, und ich bin müde vom vielen Reisen. Willst du mir keinen Platz anbieten?“
„Großmutter“, entgegnete Lily bestimmt. „Wir planen gerade eine große Operation. Da können wir keine Ablenkung gebrauchen.“
Die alte Dame zog ihre dünnen Augenbrauen hoch. Dann hob sie die Hand und malte blitzschnell mit dem Finger einen ovalen Kringel in die Luft, durch den sie einen Strich zog. „Ihr seid hier, weil ihr Sie bezwingen wollt. Ich auch.“
Rule war einen Augenblick lang völlig perplex. Dann bot er der alten Dame seinen Arm an. Behandle sie wie eine Königin, hatte Lily ihm geraten. Jetzt verstand er, was sie gemeint hatte. „Madame, ich heiße Sie herzlich willkommen. Bitte nehmen Sie Platz. Und bitte erzählen Sie uns rasch, was Sie hierher führt. Das Leben meines Freundes steht auf dem Spiel.“
Sie legte eine Hand auf seinen Arm und musterte ihn mit ihren aufmerksamen schwarzen Augen. „Sie machen sich Sorgen um ihn. Ich verzeihe Ihnen Ihr ungebührliches Verhalten. Aber es stehen sehr viele Leben auf dem Spiel.“
Rule geleitete Madame Yu zur Couch. Lily folgte ihnen und setzte sich neben ihre Großmutter – und fast alle anderen kamen hinterher. Brooks postierte sich mit seinem Rollstuhl neben Rule.
„Wie hast du mich gefunden?“, fragte Lily.
„Dumme Frage. Du warst nicht in deiner kleinen Bude. Dein Wolf steht im Telefonbuch. Du musst da sein, wo er ist, also bin ich hergekommen.“
„Aber … dann weißt du von dem Band der Gefährten?“
„Natürlich weiß ich davon. Deshalb habe ich doch gefragt, welcher es ist.“
„Und Harry?“, fragte Rule fasziniert.
„Ihm gefiel das Alleinsein nicht. Mich mochte er auch nicht, aber alle Katzen mögen Li Qin, also hat sie ihn hergebracht.“
„Tut mir leid, dass ich deine Tür beschädigen musste, Lily“, sagte Li Qin leise, die gerade ohne Harry ins Wohnzimmer zurückkehrte. „Ich denke, die Reparatur wird nicht allzu teuer sein. Deine Großmutter hatte keinen Schlüssel.“
„Macht nichts, das ist jetzt nebensächlich. Großmutter“, Lilys Stimme war eindringlich, „bei wem bist du denn gewesen?“
Die alte Dame senkte den Blick und glättete stirnrunzelnd eine nicht vorhandene Falte an ihrem Hosenbein. Dann sagte sie etwas auf Chinesisch zu Lily.
„Du hast was? “, rief Lily aus und wechselte ebenfalls ins Chinesische. In den nächsten Minuten redeten die beiden wie rasend in ihrer melodischen, für die anderen völlig unverständlichen Sprache aufeinander ein. Schließlich ergriff Lily die Hand ihrer Großmutter und fragte sie etwas. Die alte Dame tätschelte ihr den Arm und antwortete sehr bestimmt.
Lily sah die anderen an. „Großmutter meint, dass nicht jeder zu wissen braucht, mit wem sie gesprochen hat, aber er … er ist jemand, dessen Wort wir Glauben schenken müssen. Er hat sie mit Informationen zu uns geschickt … und mit einem Geschenk.“
Madame Yu blickte mit majestätisch erhobenem Haupt in die Runde. „Ihr werdet jetzt alle still sein. Ich habe viel zu sagen, und die Zeit ist knapp. Ihr alle kennt Sie, deren Zeichen ich gemacht habe. Ihr bekämpft Sie, und das ist gut. Ihr wisst nicht, was Sie im Schilde führt, aber ich weiß es.“
Sie suchte Rules Blick und sah ihn einen Moment lang an. Dann nahm sie nacheinander alle Lupi im Raum ins Visier. „ Ihr kennt Sie. Ihr seid euch der Gefahr bewusst. Was Sie mit eurem Volk vorhat, ist furchtbar, aber das ist noch nicht alles. Sie will herkommen. Sie will über … Ach, ich kenne die richtigen Wörter nicht.“ Sie redete erneut in ihrer Muttersprache auf Lily ein.
Lily wurde blass. „Großmutter sagt, Sie dürfte eigentlich nicht in der Lage sein, unsere Welt zu betreten, aber das Weltengefüge befinde sich im Wandel. In den anderen Welten verändern sich die Dinge und …“ Sie stellte ihrer Großmutter eine Frage und fuhr fort. „Und manche von denen, die über alles wachen, sind inzwischen sehr alt und müde. Andere wiederum sind sehr beschäftigt. Abgelenkt
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