Wolf Shadow Bd. 2 - Magische Versuchung
ganz unregelmäßig. Für Rule ist vielleicht nur ein Tag vergangen. Oder eine Woche … oder ein Monat. Ein Monat“, sagte er sanft, „wäre zu lange.“
Sie öffnete den Mund, um zu widersprechen. Sie musste widersprechen. Was er sagte, war dumm. So verhielt sich Zeit nicht, sie sprang nicht nach Belieben hin und her. Aber als sie seine düstere Miene sah, überkamen sie Zweifel … und mit den Zweifeln Hoffnungslosigkeit.
Also blickte sie geradeaus. Nach einer Weile wiederholte sie ihr Mantra. „Er ist am Leben. Rule ist noch am Leben.“ Und dieses Mal konnte sie hinzufügen: „Und wir holen ihn zurück.“
31
Aus ihrem ersten Schlaf in der Hölle wachte Lily hungrig auf.
Gan erwachte als Frau.
Die neuen Genitalien beunruhigten den Dämon weniger als die Aussicht, von jetzt ab regelmäßig das Bewusstsein zu verlieren. Er – sie – hatte nur mit den Achseln gezuckt. Ficken blieb ficken. Schwänze waren toll, zugegeben, aber Frauen hatten multiple Orgasmen. Und Lily würde ihr ganz sicher erklären können, wie das funktionierte.
Seitdem war Lily noch zweimal eingeschlafen und stets mit einem größeren Verlangen nach ymu aufgewacht. Dann hatte Gan gerade geschlafen und sich beschwert, weil er geweckt wurde. Immer wenn sie einmal geschlafen hatte, hatte Rule vier- oder fünfmal geschlafen. Wie viele Tage machte das zusammen? Darauf wusste sie keine Antwort. Inzwischen dachte sie nicht mehr in diesen Kategorien. Aber das Licht war nun bereits dreimal schwächer geworden und die Dämmerung so langsam heraufgekrochen, als habe jemand einen Dimmer am Himmel installiert.
Wenn das geschah, sangen die Drachen. Und sie und Rule saßen beieinander und lauschten. Sie erinnerte sich nicht, je etwas Schöneres als diese Momente erlebt zu haben, wenn es nur sie und Rule, die heraufziehende Dunkelheit und die unwirkliche Schönheit des Drachengesangs gab.
Nun beobachtete sie von ihrem Lieblingsplatz aus, einem flachen Felsen, der über das Wasser ragte, wie das Licht erneut zu schwinden begann. Von hier aus konnte sie hinaus auf das offene Meer sehen. Es vermittelte immerhin ein Gefühl der Freiheit. Und der Ausblick beruhigte sie.
Gan leistete ihr Gesellschaft und buddelte im Sand neben dem Felsen. Rule war diesmal nicht bei ihnen.
Sie hob den Blick zum Himmel. Es würde noch eine Weile dauern, bis es ganz dunkel war. Das Dimmen brauchte seine Zeit. Aber sie war besorgt. „Die Drachen haben sich noch nicht zu ihrem Lied versammelt.“
„Schreckliches Gekrächze“, brummte Gan.
Der Dämon schien vollkommen unmusikalisch zu sein und daher Musik auch nicht zu schätzen. Er – sie – hatte, nachdem die Drachen das letzte Mal gesungen hatten, ganz nebenbei bemerkt, dass sie nicht viel von ihrem Gekrächze hielt. Ihre Anführer nannten sie Sänger.
Dass auch Drachen Anführer hatten, war Lily neu gewesen. Sie verfügten zwar nicht über so etwas Formelles wie eine Regierung, einen König oder einen Rat, aber diese Sänger hatten offenbar genug Autorität, um Pakte mit ihren Dämonennachbarn zu schließen. Aber mehr hatte Gan leider auch nicht gewusst.
Sie blickte zum anderen Ende des Strandes, zu den Gräsern vor dem Eingang zu ihrer Höhle. Eine besorgte Falte erschien zwischen ihren Augenbrauen. Rule war wieder in den unterirdischen Gängen unterwegs. Er hasste sie. Sie hatte gesehen, wie er am ganzen Leibe zitternd aus ihnen aufgetaucht war, aber er ging trotzdem immer wieder hinein.
„Bitte?“, fragte sie abwesend. Sie hatte nur mit halbem Ohr auf das Geplapper des Dämons gehört.
„Ich fragte, was du mit deinem Stock vorhast. Einen Drachen pieksen vielleicht? Das wird ihnen bestimmt Angst einjagen.“
„Vielleicht.“ Sie schärfte die Spitze ihrer Lanze, die sie aus dem Oberschenkelknochen eines sehr großen Tieres gefertigt hatte. Keine sehr gefährliche Waffe, aber alles, was sie hatte. „Oder ich piekse lästige kleine Dämonen damit.“
„Nein, das würdest du nicht tun. Dann hättest du nämlich ein schlechtes Gewissen.“ Gan guckte selbstzufrieden. „Menschen haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie anderen wehtun.“
„Manche ja. Manche nein.“
„Na, du schon. Du bist so eine. Außerdem magst du mich.“
Lily sah belustigt auf. „Ach ja?“
„Klar. Du wolltest nicht, dass der Wolf mir etwas tut. Auch wenn er nicht mehr versucht, mich zu töten, will er mir immer noch ans Leder.“
Lilys Lächeln schwand. Seitdem sie das letzte Mal aus dem Schlaf erwacht war, hatte sie
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