Wolf Shadow Bd. 2 - Magische Versuchung
ergreifen. „Ich bin hier. Wir haben es geschafft. Wir sind zurück.“ Und das waren sie wirklich. Er hatte sich gewandelt. Er hatte sich nicht an den Wolf verloren.
„Ich muss ihn in einen Schlafzustand versetzen“, sagte Nettie entschieden. „Und dieses Mal kommt er in ein Krankenhaus. Er hat viel Blut verloren, und ich weigere mich, auf der Ladefläche eines Geländewagens zu operieren.“
„Nein, er wird ins Krankenhaus gehen.“ Das war es, worum sie inbrünstig gebeten hatte. Bring Rule zurück. Bring ihn in ein Krankenhaus …
„Eine Minute noch, Nettie“, sagte Rule. Seine Stimme klang wunderbar in ihren Ohren. Nicht so, als würde er sterben, überhaupt nicht. Er suchte ihren Blick. „Ich hatte einen merkwürdigen Traum. Einen schrecklichen Traum. Er kam mir ganz real vor. Es gab zwei von dir, und eine … eine ist gestorben.“
Er war bewusstlos gewesen. Sie war sich sicher, dass er die ganze Zeit über ohne Bewusstsein gewesen war. „Es war kein Traum. Aber es war auch nicht ganz die Wirklichkeit.“
„Du bist …“
„Beide. Glaube ich.“
„Genug jetzt“, sagte Nettie und legte ihm die Hand auf die Stirn.
Langsam entspannten sich seine Gesichtszüge, und die Augen fielen ihm zu. „Ja“, murmelte er. „Das ist richtig. Du bist Lily.“
Seine Hand wurde schlaff und gab ihre frei, während er in den Heilschlaf – Netties Gabe – glitt. Schließlich ließ auch die Anspannung in seinen Schultern nach.
Vielleicht war es tatsächlich so einfach. „Ja“, flüsterte sie. „Das bin ich, nicht wahr?“
Epilog
„Denk doch wenigstens einmal darüber nach.“ Rule spürte, wie sich ihm die Kehle zuschnürte, so ärgerlich und ungeduldig war er.
„Nein.“ Isen war so unverblümt wie immer. „Nicht, solange du mir nicht einen guten Grund nennst. Was du bislang noch nicht getan hast.“
Doch das stimmte nicht. Isen wollte ihn nur nicht hören. Rule saß auf der Kante seines verfluchten Krankenhausbettes. Am liebsten hätte er die Nase gehoben und geheult. Obwohl er vielleicht besser daran tat, gerade diesen Drang nicht zu unterdrücken. Vielleicht hätte sein Vater ihm dann geglaubt. „Der Lu Nuncio muss stets die Kontrolle über sich wahren können.“ Die Worte kamen abgehackt. „Und das kann ich nicht.“
Isen winkte ab. „Das geht vorbei.“
„Ich habe mich gewandelt!“, platzte es aus ihm heraus. „Hier in dem verfluchten Krankenhaus. Bei Vollmond. Ich konnte es nicht aufhalten.“
„Und das hat bestimmt höllisch wehgetan. Gut, dass du Glen rechtzeitig vorgewarnt hattest.“
Glen war eine der Wachen, die die Presse von Rules Zimmer fernhielten. In der vergangenen Nacht hatte er allerdings auch Ärzte und Krankenschwestern fernhalten müssen, bis Rule den Willen aufbringen konnte, sich wieder zurückzuwandeln.
Er hatte eine gute halbe Stunde gebraucht. Die Sehnsucht, ein Wolf zu bleiben, die Welt intensiver zu riechen und zu schmecken, hatte nicht so leicht weichen wollen. „Na, dann ist ja alles in Ordnung“, sagte Rule bitter. „Ich kann meine Wandlung nicht mehr richtig selbst bestimmen, aber solange ich Bescheid sage …“
„Mein Sohn.“
Dieses Wort hörte er so selten von seinem Vater. Rule verstummte.
Isen legte die Hand auf Rules Schulter. „Aus dir spricht Stolz. Ungeduld. Dein Wolf ist stärker, als er vorher war. Na und? Dann wirst du eben ein neues Gleichgewicht finden müssen. Das wird Zeit brauchen, aber ich bezweifele nicht, dass du es schaffen wirst. Du hast mich nie enttäuscht. Nicht als Vater und nicht als Rho.“
Rule hatte nie begriffen, warum sein Vater ihn und nicht Benedict zum Lu Nuncio ernannt hatte. Jetzt verstand er es sogar noch weniger. Er wusste nicht, was er von all dem halten sollte.
Und es fiel ihm schwerer, die richtigen Worte zu finden als früher.
Isen drückte ermutigend Rules Schulter und sagte dann: „Du wirst Hilfe und Unterstützung bekommen. Ich höre gerade, dass einer dieser Helfer schon zu dir unterwegs ist.“
Auch Rule hatte es gehört. Er wandte den Kopf, das Lächeln schon erwartungsvoll auf den Lippen.
Die Tür öffnete sich. „Das ist aber ein herzlicher Empfang! Aber ich frage mich: Bist du froh, mich zu sehen? Oder dass ich gekommen bin, dich hier rauszuholen?“, fragte Lily. Aber auch sie lächelte und ging, ohne auf eine Antwort zu warten, zu ihm.
So selbstverständlich wie ein Atemzug fand seine Hand die ihre.
Isen lachte leise. „Ich glaube, ich bin hier überflüssig. Wir sehen uns
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