Wolf Shadow Bd. 2 - Magische Versuchung
Bruder, der mit einer Hacke getötet worden war; eine Mutter, Opfer einer Gruppenvergewaltigung; eine kleine Schwester, die im Vorbeigehen von einem Soldaten bespuckt wurde, der eine Machete in der Hand hielt. Kinder, die den Weg nach Nordamerika gefunden hatten, die mit den Verwandten, die überlebt hatten, geflüchtet waren. Kinder, die erwachsen wurden, um ihrerseits Grausamkeiten zu begehen.
Sobald Benedict das letzte Mal abgebogen war, wusste sie, dass sie bald bei Harlowes Schlupfloch angekommen waren. Wild gestikulierend bedeutete sie ihm, das Headset abzunehmen. Gott sei Dank hatte er den Anruf beendet und ließ es augenblicklich verschwinden.
„Ich glaube, Ihre Eskorte fährt gerade vor uns her“, sagte sie jetzt zu Harlowe. „Ein alter Chevy Impala, hellviolett mit orangefarbenen Flammen an den Seiten. Tiefer gelegt. Der Fahrer und ein Insasse sind Lateinamerikaner, der andere ein Afroamerikaner.“
„Meine Güte, heute sind wir aber politisch korrekt!“ Die Aussicht, dass sie sich ihm nun bald freiwillig auslieferte, versetzte Harlowe in Hochstimmung. „Bleiben Sie dicht hinter Raul und seinen Freunden.“
„Dann sind wir wohl fast angekommen.“ Der Beifahrer sprach in ein Handy. Ohne Zweifel erstattete er gerade Bericht, dass sie Lily und Benedict im Schlepptau hatten.
„Vielleicht.“
„Ich könnte mich ohrfeigen, dass ich nicht früher an die Gangs gedacht habe.“ Sollte er doch denken, dass er cleverer als sie gewesen war. Sollte er sich doch damit brüsten und sich selbst für unbesiegbar halten. „Was gäbe es für einen besseren Ort, um sich zu verstecken. Sie sprechen gut auf einen charismatischen Anführer an.“
„Die Jungs waren wirklich sehr hilfsbereit. Sie verstehen meine Botschaft.“
Benedict berührte ihre Schulter. Sie sah ihn an. „Warum erzählen Sie mir nicht mehr davon?“
„Sie wollen meine Botschaft hören?“
„Natürlich.“ Benedict machte eine ziehende Bewegung mit einer Hand. Sie sagte in Gedanken: Es in die Länge ziehen? Hinauszögern? Er nickte. Sie erwiderte sein Nicken. Es war gut zu wissen, dass sie sich einig waren.
Harlowe begann, Fehler zu machen. Er verließ sich zu sehr auf seine nicht ganz allwissende Göttin. Er dachte nicht klar, sonst hätte er Ihren toten Winkel – die Lupi – mit einkalkuliert. Vielleicht hielt er sich tatsächlich für unbesiegbar, wie Rule bereits gemutmaßt hatte.
Dennoch blieb er tödlich gefährlich. Aber nun hatten sie eine Chance. Rule war auf dem Weg zu ihnen – zusammen mit einigen anderen, hoffte sie. Sie wusste nicht, wie weit entfernt er war, aber sie fühlte immer deutlicher seine Präsenz. Laut sagte sie: „Ich würde gern wissen, ob Sie mehr zu sagen haben als ‚Wenn ihr bei mir bleibt, gebe ich euch Geld und Frauen, so viel ihr wollt‘.“
Er kicherte. „Unterschätzen Sie nicht die Dozens . Sie wollen auch Waffen, Alkohol und Drogen. Was ist mit Ihnen, Lily Yu? Was wollen Sie?“
„Ich will, dass Sie meine Schwester freilassen, lebend und unverletzt.“
„Das war doch sowieso ausgemacht. Sonst wären Sie wohl kaum so bereitwillig Raul gefolgt. Aber was ist mit Ihnen selbst? Wollen Sie das hier nicht selber auch lebend und unverletzt überstehen?“
„Das habe ich vor.“
„Erst kürzlich sind meine ganzen Pläne gescheitert“, sagte er mit verträumter Stimme. „Selbstverständlich habe ich sofort neue geschmiedet. Ein wirklich guter Mann weiß sich zu helfen. Aber vielleicht möchten Sie Ihr Bedauern darüber ausdrücken, dass Sie meine Pläne durchkreuzt haben. Ich bin mir sogar sicher, dass Sie das tun werden. Ich sage Ihnen jetzt schon, dass es Ihnen sehr bald sehr, sehr leidtun wird, dass Sie sich so viel herausgenommen haben.“
Der Chevy vor ihnen hielt plötzlich. Lily schoss nach vorne, als Benedict auf die Bremse trat, um nicht auf den Wagen aufzufahren. Der Mann auf dem Rücksitz des lilafarbenen Wagens drehte sich um und lächelte sie an. Er legte den Lauf einer abgesägten Schrotflinte auf die Lehne und zielte genau auf Lily.
„Die Zukunft vorherzusagen ist eine unsichere Sache.“ Vielleicht hatte sie sich getäuscht, was Harlowes Absichten anging. Vielleicht hatte er sie hierhergebracht, um dabei zusehen zu können, wie sie getötet wurde. „Selbst gute Präkogs liegen nicht immer richtig.“
„Das werden wir ja sehen. Fahren Sie an den Bordstein“, sagte er beinahe schnurrend. „Halten Sie an, und steigen Sie aus dem Wagen. Die Jungs werden Sie in Empfang
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