Wolf Shadow Bd. 3 - Dunkles Verlangen
mehr Verletzungen gebrauchen.“
Benedict nickte und drückte die Türen zur Intensivstation auf.
„Ihr redet nicht vom Reden“, sagte Lily verständnislos.
Benedict hielt inne. „Wir werden reden. Dann wird er uns schlagen. Das braucht er jetzt. Er ist zu erschöpft, um viel Schaden anrichten zu können, aber Cullen hat recht. Zu zweit bekommen wir ihn in den Griff, ohne dass wir ihn verletzen.“
34
Auf der Intensivstation gab es keine Stühle. Lily stand an Tobys Bett, hielt seine Hand und wünschte, sie würde an die Kraft von Gebeten glauben.
Der Tod war nicht das Ende. Es gab eine unsterbliche Seele. Das wusste sie ganz genau. Aber sie wusste nicht, ob es jemanden gab, der die Fäden in der Hand hielt. Wenn ja, dann machte er oder sie seine oder ihre Sache nicht besonders gut. Die Insassen hatten die Irrenanstalt übernommen, und zwar schon seit langer Zeit.
Aber es konnte nicht schaden, zu fragen. Selbst wenn sie nicht wusste, zu wem oder was sie betete. Bitte. Bitte, hilf ihm. Hilf uns.
„Er sieht gut aus, nicht?“
Sie drehte sich um. Cynna stand im Eingang und nippte an einer dampfenden Tasse. Lily roch Kaffee. „Du magst doch gar keinen Kaffee.“
„Schmeckt wirklich scheiße“, gab sie zu und trat in den mit Glaswänden abgetrennten Raum. „Wo ist Rule?“
„Bekommt gerade eine Kampftherapie, glaube ich. Er …“ Sie kaute auf ihrer Unterlippe, unsicher, wie viel sie sagen durfte. „Ich dachte, er käme klar. Ich habe nicht genau genug hingesehen. Ein Psychologe würde wahrscheinlich von Verdrängung oder so sprechen. Benedict sagt, er müsste jemanden schlagen. Er und Cullen haben ihn mit nach draußen genommen, um zu reden – so wie man das unter Lupi macht.“
„Kampftherapie. Hm. Das könnte ich auch gebrauchen.“
Unter den verästelten tintenfarbenen Mustern war Cynnas Gesicht angespannt. Nein, bemerkte Lily, sie war so angespannt wie eine Feder, die überdreht worden war und jeden Augenblick zurückschnappen konnte. „Ich glaube, ich bin mehr wie Timms. Ich schieße lieber.“
„Aber du kannst auch kämpfen.“
„Im Moment bin ich zu wütend, um gut kämpfen zu können.“ Lily hatte nicht gewusst, dass das stimmte, bevor sie es ausgesprochen hatte. Aber jetzt spürte sie die Wut ganz deutlich – als harten Knoten in ihrem Bauch. „Wenn man sich von seiner Wut übermannen lässt, macht man Fehler.“
„Wahrscheinlich hast du deswegen auch den schwarzen Gürtel und ich nur den braunen. Wenn ich wütend bin, will ich kämpfen. Wenn ich nicht wütend bin, gibt es für mich keinen Grund, zu trainieren.“ Cynna nahm einen Schluck aus ihrer Tasse und verzog das Gesicht. „Da. Dann kannst du genauso gut das hier trinken.“
Lily nahm die Tasse. Milch hatte die schlammfarbene Flüssigkeit ein wenig aufgehellt. Sie entschied, dass sie noch nicht verzweifelt genug war, um das Gebräu trinken. „War es sehr schlimm für dich?“, fragte sie sanft. „Was Jiri getan hat, meine ich. Dass sie dich wieder hat reiten lassen. Dass sie dich alles hat mit ansehen lassen.“
„Nein.“ Cynnas Ton war bitter. „Reiten ist anders. Man sieht nicht nur zu.“
„Du hast mir nie etwas davon erzählt.“
„Und das tue ich auch jetzt nicht.“
„Du hast es nicht getan, das weißt du. Du hast die anderen nicht angegriffen, und du bist auch nicht diejenige, die Toby das angetan hat.“
Cynna machte zwei Schritte, als wolle sie auf und ab gehen. Aber es war nicht genug Platz. „Sie hat mich rausgeschmissen, bevor ich sehen konnte, was sie mit Toby gemacht hat. Sie wollte mir wohl keinen Hinweis geben, wie man den Zauber rückgängig machen kann. Aber das andere … das hätte genauso gut ich selber sein können. Es hat sich nicht so angefühlt, als wären es die Hände des Dämons, die Brown gepackt und aus dem Auto gezogen haben. Es waren unsere Hände, die ihn töteten. Wir haben die Tür niedergerissen. Wir waren sauer, als der Tiger uns angegriffen hat, und …“ Sie schluckte und blickte Lily unglücklich an. „Man reitet nicht nur den Körper. Man bekommt auch die Gefühle. Nicht die Gedanken, aber ich habe gefühlt wie der Dämon.“
„Es war nicht dein Wille. Du hattest keine Kontrolle darüber.“
„Ja, der Wille ist wichtig. Das weiß ich, aber …“ Ihr Blick schoss von Toby zu dem Infusionsständer und von dort zum Herzmonitor. „Was hat sie damit bezweckt? Warum hat sie mich gezwungen, zu reiten? Das verstehe ich nicht. Sie hatte keinen Vorteil davon.
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