Wolf Shadow Bd. 7 - Verbotene Pfade
süß. Einfach nur Leben.
Daran hatte Claire ihn gestern Nacht mit scharfer Zunge erinnert. Hör auf, dir selbst leidzutun , hatte sie gesagt. Meine Güte, was ist denn so Tolles daran, zu leiden? Angst zu haben? Du weißt, wie es ist, Angst zu haben. Selbst als wir noch zusammen waren – und du weißt, dass du damals manchmal wirklich nicht sehr viel kapiert hast – , wusstest du besser als ich, was Angst ist. Ich habe getobt, wild um mich geschlagen, nur um meiner Angst nicht ins Auge sehen zu müssen. Du hast mir gesagt, dass ich nicht davonlaufen, dass ich meine Ängste akzeptieren soll .
Dann hatte sie geschnaubt. Auch das hörte sich ganz nach ihr an. Gibt es einen besonderen Grund, warum du meine Fehler machen willst, statt deine eigenen?
Kluge Claire.
Vielleicht hatte tatsächlich sie in diesem Traum mit ihm gesprochen, nicht nur sein klügeres Ich. Und vielleicht auch nicht. Benedict wusste, dass es etwas nach dem Tod gab. Doch ob dieses »etwas« es einer Frau, die seit zweiundvierzig Jahren tot war, erlauben würde, ihm im Traum zu erscheinen? Möglich wäre es. Und unmöglich, es sicher zu wissen. Und außerdem spielte es keine Rolle. Benedict atmete tief ein und ließ den Blick schweifen. All das liebte er … und es gab keine Garantie, dass es auch morgen noch da sein würde. Wenn nötig, würde er sein Leben dafür geben, aber selbst dann gab es keine Garantie.
Angst konnte hilfreich sein, wenn man die richtigen Lehren zog. Oder sie konnte einen hilflos machen. Er war es leid, hilflos zu sein. »Du bist so still«, sagte er zu der Frau, die neben ihm ging. Ging, nicht humpelte.
»Manchmal bin ich auch still«, bestätigte sie. »Nicht sehr oft, aber dann und wann höre selbst ich auf zu reden. Ich habe mich gefragt … Du sagtest, du wärst Vater.«
»Ja.« Er konnte es ihr genauso gut sagen. Sie würde ohnehin viele von ihren Geheimnissen erfahren. »Was hast du dich gefragt?«
»Hast du einen Sohn oder eine Tochter? Sehen wir sie oder ihn im Zentrum, oder ist dein Kind schon älter, oder lebt es nicht in der Nähe? Was ist mit der Mutter? Hast du das Sorgerecht oder … Du lachst mich aus.«
Ja. Ja, er lachte sie aus. Und auch das fühlte sich gut an. »Da haben sich aber viele Fragen aufgestaut.«
»Ich habe gewartet, bis du fertig warst mit Nachdenken. Es schien dir gutzutun. Du wirktest erleichtert.«
Neugierig neigte er den Kopf zur Seite. Die meisten Menschen wurden nicht aus ihm schlau. Vor allem Menschen, die sich nicht anhand des Geruchs orientieren konnten. »Das stimmt. Ich habe ein Kind, eine Tochter. Nettie Two Horses.«
Aus irgendeinem Grund freute sie das. »Die Ärztin, die mich behandelt hat, ist deine Tochter?«
Er nickte. »Du wirst überrascht sein, wenn du sie siehst.«
»Sieht sie dir nicht ähnlich?«
»Um die Augen herum schon. Das Kinn und den Kiefer hat sie von ihrer Mutter, und ihr Mund ist die weibliche Version von Isens Mund. Aber das meinte ich nicht.« Er machte eine Pause. »Sie ist zweiundfünfzig.«
Sie blinzelte. »Oh. Oh! Ich hatte recht. Ihr altert nicht wie Menschen.«
Er blieb stehen und starrte sie an. »Du wusstest es?«
»Ich wusste es erst, als du es mir sagtest, aber ich habe es vermutet. Ich meine, es ist nur logisch, oder nicht? Wenn ihr so gute Selbstheilungskräfte habt, dann werden euch auch freie Radikale nicht so viel anhaben können, das heißt, ihr altert langsamer. Oh! Ist das der Grund, warum du deinen echten Nachnamen nicht benutzt? Weil er dein wahres Alter verraten könnte?«
Besorgt fragte er: »Wissen die Behörden – «
»Nein, nein.« Sie tätschelte beruhigend seinen Arm. »Das steht nicht in den Akten, die ich eingesehen habe. Und ich habe routinemäßig Zugang zu vertraulichen Verschlusssachen, und wenn ich an die richtigen Türen klopfe, auch zu geheimen und mit Sondergenehmigung sogar zu streng geheimen Informationen. Im Allgemeinen mache ich eine entsprechende Anmerkung, wenn ich auf einen sachdienlichen Hinweis stoße, der streng geheimes Material betrifft – manche der als geheim klassifizierten Akten sind nämlich stark zensiert worden – , und dann kann der Agent, der die Anfrage gemacht hat, selbst entscheiden, ob er die Akte anfordert. Aber ich habe fast alles gelesen, was das Büro über euch hat. Das steht nicht in den Akten.«
Er war nicht überzeugt. »Mit wem hast du darüber gesprochen?«
»Mit niemandem. Wie ich schon sagte, es war nur eine Vermutung, und ich verstehe sehr gut, dass es notwendig
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