Wolf Shadow Bd. 7 - Verbotene Pfade
Babyzimmer«, sagte er, öffnete die Vordertür und ging vor. Dass die Menschen ihren Frauen aus Höflichkeit den Vortritt ließen, war eine hübsche Geste, nicht mehr. Falls auf der anderen Seite der Tür Gefahr lauerte, würde er es selbst damit aufnehmen wollen und nicht sie voranschicken.
»Das Babyzimmer?«
Sie bewegte sich ohne Schwierigkeiten, stellte er fest. Es war so, wie sie gesagt hatte, der Knöchel tat ihr nicht mehr weh. Trotzdem bemühte er sich, langsam zu gehen. »Dort kümmern sich die Kinderpfleger um die Babys des Clans. Nur um die, die gerade hier sind, natürlich. Das sind ja bei Weitem nicht alle. Auch wenn der Vater das Sorgerecht hat, wohnt er nicht immer nah genug, um das Zentrum regelmäßig nutzen zu können.«
Sie nickte ernst. »Die Gerichte sind Lupus-Vätern gegenüber nicht gerade wohlwollend eingestellt. Ich weiß, dass Mr Turner – Isens Sohn, meine ich, Rule Turner – erst kürzlich das Sorgerecht für seinen Sohn zugesprochen bekommen hat.«
Rules Anhörung im Sorgerechtsverfahren hatte Schlagzeilen gemacht – vor allem, weil zur gleichen Zeit ein übernatürlicher Killer sein Unwesen getrieben hatte. »Manche Mütter weigern sich, das Sorgerecht mit einem Lupus-Vater zu teilen, und bis vor Kurzem gab es keine rechtliche Handhabe dagegen. In den meisten Landesteilen hat man auch jetzt noch nicht viel Aussicht auf Erfolg. Und viele Mütter, die sich mit den Vätern das Sorgerecht teilen, wohnen zu weit weg, um ihre Babys in unsere Obhut zu geben, wenn sie arbeiten gehen.« Und dann gab es natürlich auch solche Frauen, die, wie Rules Mutter, nicht schnell genug das Weite suchen konnten und ihre Kinder bei den Lupus-Vätern ließen. Denn ein Kind, das irgendwann ein Fell bekam, das wollten sie nicht.
Der Kiesweg schien ihr keine Probleme zu bereiten. »Wenn ich es richtig verstehe«, sagte sie, »sind das dann sowohl Jungs als auch Mädchen, nicht wahr? Die weiblichen Nachkommen gehören zum Clan, auch wenn sie sich nicht wandeln können.«
Außerdem wurden sie nicht von der Clanmacht erkannt, aber was eine Clanmacht war, wollte er ihr jetzt noch nicht erklären. »Steht das in den FBI -Akten?«
»Na ja … ja.«
»Das stimmt. Unsere Töchter gehören zum Clan. Ihre Kinder dagegen nicht, aber sie sind ospi , Freunde des Clans. Im Zentrum gibt es einige Babys und jüngere Kinder, die ospi sind.«
»Und die dürfen auch in euren Hort? Obwohl sie nicht zum Clan gehören?«
»Babys sind Babys.« Benedict hatte kein Verständnis dafür, dass es Menschen gab, die ihre Kinder nicht wollten und sogar aussetzten. Selbstverständlich verstand er, dass eine so erstaunlich fruchtbare Rasse wie die Menschheit es sich leisten konnte, sorglos mit ihren Nachkommen umzugehen, trotzdem empfand er nur Empörung bei diesem Gedanken. Aber, um gerecht zu sein, auch viele Menschen empfanden wie er.
Schweigend erreichten sie die Straße, die um die Versammlungswiese herumführte, ein breiter Grasstreifen, der das kleine Dorf mit dem Clangut verband. Das Zentrum befand sich an der südöstlichen Ecke der Wiese, noch etwa drei Kilometer entfernt, und Isens Haus am nördlichen Ende, am Fuße der Berge.
Es war ein für diesen Teil des Landes typischer Herbsttag – sonnig und warm, der Himmel so blau, dass einem das Herz wehtat, hier und da mit dicken weißen Tupfen verziert. Eine Brise zupfte an Benedicts Hemdsärmeln und fuhr in Arjenies wilde Locken. Heute trug sie sie offen, und sie glänzten in der Sonne wie geschmolzenes Kupfer.
Der Wind roch nach Chollas und Kiefern, Kaninchen und Erde … nach Heimat.
Es tat gut, hier auf diesem festen Feldweg zu gehen, Heimat zu riechen und die Wärme der Sonne zu spüren. Zu wissen, dass man am Leben war und all das spüren konnte. Selbst nachdem der überwältigende Schmerz abgeklungen war, hatte er Jahre gebraucht, bis er wieder fähig war, einfache Freude zu empfinden, ohne sich dabei schuldig zu fühlen. Immer wieder hatte er sich gefragt, welches Recht er hatte, das Leben zu genießen, wenn Claire es nicht mehr konnte.
Doch schließlich hatte er verstanden, dass seine Trauer und sein Schuldgefühl Claires kurzes Leben nicht verlängern konnten. Und er stellte sich die umgekehrte Frage: Welches Recht hatte er, es nicht zu tun?
Heute war er froh zu leben. Das Leben war keine Last mehr, die er zu tragen hatte, weil sein Rho darauf bestand, dass er gebraucht würde. Schon lange nicht mehr. Leben war einfach nur Leben. Kurz oder lang, bitter oder
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