Wolf Shadow Bd. 7 - Verbotene Pfade
alles hatte sie sich überlegt, nachdem sie gestürzt war, zu Tode erschrocken. Mit einer bewaffneten Miliz im Nacken und einem riesigen Wolf, der sie beobachtete, hatte sie ihr erstaunliches Gedächtnis durchforstet und ihre logischen Schlüsse gezogen. Benedict lächelte. »Du irrst dich. Du bist sehr intelligent. Du hast nicht einfach nur ein gutes Gedächtnis, du wendest das, was du weißt, auf die jeweilige Situation an, selbst unter großem Stress.«
Sie wurde hochrot – vor Freude oder Verlegenheit. »Ich glaube, ich halte mich an Fakten fest, mehr als andere Menschen. Vielleicht reagiere ich deswegen automatisch so, wenn ich unter Stress stehe.«
Offenbar wollte sie nicht akzeptieren, dass sie außergewöhnlich intelligent war, aus welchem Grund auch immer. Vielleicht litt sie jetzt schon darunter, dass sie anders war als andere, allein durch ihre Herkunft. Er streckte ihr die Hand hin.
Sie blinzelte, lächelte dann schüchtern und nahm sie.
Auch das fühlte sich gut an. So unglaublich gut, verdammt. Am liebsten hätte er … aber er würde es nicht tun. Nicht jetzt. Jetzt reichte es ihm, ihre Hand zu halten, sie kennenzulernen, neben ihr herzugehen. Seine Auserwählte. »Komm, wir sehen uns die Babys an.«
Arjenie gefiel das Babyzimmer, und sie konnte gut mit den Babys umgehen. Sie wusste, wie man sie hielt, wie man lustige Grimassen schnitt und sie kitzelte. Einer ihrer Cousins war viel jünger als sie, erklärte sie ihm, an dem hatte sie üben können, und außerdem hatte sie in der Highschool babygesittet. Benedict erfuhr nicht nur den Namen dieses Cousins und einiger anderer mehr, sondern auch den ihrer Onkel und Tanten – fünf Onkel hießen Delacroix, von denen einer mit der Schwester ihrer Mutter verheiratet war.
Keiner der Onkel war blutsverwandt mit ihr. Und auch die meisten Cousins nicht.
Arjenie stammte aus einer großen und liebevollen Familie, aber nur ihre Tante Robin und deren Kinder waren mit ihr verwandt. Doch das schien ihr nichts auszumachen. Irgendwie ein bisschen wie ein Clan, dachte Benedict. Blutsverwandtschaft war wichtig, aber das Gefühl der Zugehörigkeit war wichtiger.
Nach dem Besuch bei den Kleinkindern steuerten sie die Kasernen an, um dort zu Mittag zu essen. Benedicts Leute konnten sich über schlechte Verpflegung nicht beklagen; heute gab es Chili und Maisbrot. Sie leerte eine große Schale und aß zwei Stücke Maisbrot und plauderte unbefangen mit den Männern, die sie gestern Nacht gefangen genommen hatten. Dann besichtigten sie die neue Gärtnerei, wo Samuel heimische Pflanzen zog, um sie an Gartencenter in der Gegend zu verkaufen. Sie löcherte Samuel mit Fragen und sortierte dessen Antworten zweifellos wieder säuberlich in die Enzyklopädie in ihrem Kopf ein.
So wie Benedict ihren Anblick, ihren Klang und ihren Duft in seinem Kopf speicherte. Jeder Moment war klar und wertvoll. Er hatte ihr gesagt, dass er sich heute Urlaub nahm. Das stimmte auch, soweit es seine Pflichten betraf. Sein Stellvertreter führte heute das Training und die Routinekontrollen durch. Das war nichts Ungewöhnliches. Wenn Benedict oben in seiner Hütte war oder mit einer neuen Gruppe Jugendlicher zum Kampftraining in die Wälder ging, übertrug Benedict gewöhnlich Pete die Verantwortung.
Aber dies war eine Ausnahmesituation. Sein Rho glaubte, dass eine alte Feindin sie und ihre Welt bedrohte.
Das waren sehr schlimme Neuigkeiten, und trotzdem war er erleichtert. Sehr erleichtert sogar. Denn jetzt war klar, es hatte nichts mit ihm zu tun, dass die Dame Benedict eine zweite Auserwählte geschenkt hatte. Sie erwartete nichts von ihm persönlich. Sie hatte es getan, weil die Clans Arjenie brauchten, für was auch immer. Die Dame brauchte Arjenie. Das bedeutete, indem er Arjenie beschützte, diente Benedict seiner Dame und dem Wohl seines Volkes.
Und er würde sie beschützen. Was immer dazu nötig war.
Rule hatte Benedict heute schon dreimal angerufen. Das erste Mal, um ihm mitzuteilen, dass er und Lily heute zurückfliegen würden. Sie trafen zum Abendessen ein und hatten vor, eine Weile auf dem Clangut zu bleiben. Die anderen beiden Male, um einen geeigneten Ort für den Zirkel der Thronfolger auszusuchen. Dass der Treffpunkt so plötzlich geändert worden war, hatte sie in Bedrängnis gebracht. Rule hatte den anderen Lu Nuncios mehrere Orte zur Auswahl vorschlagen müssen.
Erstaunlicherweise hatten sich alle fünf auf einen einigen können. Jetzt war es Benedicts Aufgabe, für die
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