Wolf Shadow Bd. 7 - Verbotene Pfade
sie Arjenie direkt ansehen, die unsicher und allein ein paar Schritte entfernt stand. »Arjenie, nicht wahr? Komm, setz dich zu mir. Du und ich, wir müssen uns später unterhalten.«
Nettie machte sich auf den Weg – mit einer bewaffneten Eskorte, sehr zu ihrer Empörung. Die anderen – außer Benedict – ließen sich an dem langen Esstisch nieder, um Pläne zu schmieden.
Als Lily eine Nokolai wurde, hatte sie Isen wie einen Vorstandsvorsitzenden gesehen, der die allgemeinen Richtlinien und Ziele vorgab, die Umsetzung aber anderen überließ, und den Ältestenrat als den Vorstand des Clans. Rule war der Finanzchef, er war verantwortlich für die Gesamtfinanzen und Investitionen. Benedict war der Sicherheitschef. Damals war sie überzeugt gewesen, dass Isen nicht so hart arbeitete wie seine Söhne. Es hatte Monate gedauert, bis sie erkannt hatte, worin sein Job tatsächlich bestand.
Isen managte Menschen.
Und das war ein anstrengender Rund-um-die-Uhr-Job. Vergleichbar mit dem einer Hausfrau und Mutter, dachte sie. Vieles von dem, was er tat, blieb unbemerkt. Erfolgreich war er vor allem dann, wenn etwas ausblieb. Kämpfe, die nicht stattfanden. Streit, der nicht zu Feindschaft wurde. Töchter, die nicht ignoriert wurden. Söhne, die nicht verwahrlosten. Männer, die einen Job, der sie frustrierte und wütend machte, nicht behielten. Und Herausforderungen, die nicht ausgesprochen wurden.
Herausforderungen waren nichts Ungewöhnliches, aber meistens ging es dabei um nichts Wichtiges. Auf diese Weise regelten Lupi Beleidigungen und Statusfragen. Die Kämpfe wurden entweder in Menschen- oder Wolfsgestalt ausgetragen, mal unter mehr, mal unter weniger Beachtung der Formalitäten. Töten war nicht erlaubt. Wenn man seinen Gegner tötete, konnte man vom Rho hingerichtet werden, falls dieser entschied, dass es absichtlich geschehen war. Wenn der Tod eindeutig ein Unfall war, bekam man trotzdem großen Ärger.
Herausforderungen, bei denen es um Wichtiges ging, wurden in Wolfsgestalt ausgetragen. Interne Herausforderungen konnten einem anderen Clansmann übertragen werden, dem Lu Nuncio oder dem Rho. Es gab komplexe Regeln, wie ein Lu Nuncio oder ein Rho herausgefordert wurde. So etwas kam sehr selten vor. Wenn ein anderer Clansmann herausgefordert wurde, musste der Rho sein Einverständnis dazu geben. Denn das Risiko war hoch, dass er einen seiner Clansleute verlor, wenn er ihnen den Kampf erlaubte.
Für alle Kämpfe galt: Wenn einer der Kontrahenten sich unterwarf, musste sein Leben geschont werden. Aber durch die Unterwerfung erkannte er an, dass er unrecht hatte, und verpflichtete sich, die Buße oder die Strafe, die der Sieger über ihn verhängte, anzunehmen.
In dieser Hinsicht war eine Herausforderung zwischen Clans so wie eine interne. Aber da mit diesen Kämpfen Differenzen zwischen Clans und nicht zwischen Einzelpersonen ausgetragen wurden, musste im Falle einer Unterwerfung der gesamte Clan die Bedingungen des gegnerischen Lu Nuncios akzeptieren. Wenn der Rho des unterlegenen Clans die Bedingungen nicht anerkannte, hatte er zwei Möglichkeiten: seinen Thronfolger abzusetzen und aus dem Clan zu verstoßen oder in den Krieg zu ziehen.
Deswegen waren Clan-Kämpfe rar und endeten fast immer mit dem Tod. Lu Nuncios waren von Natur aus schlecht darin, sich zu unterwerfen. Niemand stellte gern seinem Gegner einen Blankoscheck aus.
Manches davon hatte Lily von Rule erfahren, anderes von der Rhej, deren Job es auch war, neuen Clanmitgliedern alles beizubringen, was sie wissen mussten. Was es änderte, wenn ein Rho höchstpersönlich zu einem Kampf antrat, wusste sie nicht, aber damit war der Einsatz ohne Zweifel höher.
Rules Vater war über neunzig Jahre alt. Natürlich waren das Lupi-Jahre, aber trotzdem war er nicht fitter als ein Mann mittleren Alters. Javier war jung, schnell, stark und ein guter Kämpfer. Isen pokerte hoch, in einem Spiel mit hohen Einsätzen, und die Chancen standen gegen ihn.
Dabei wirkte er, fand Lily, außerordentlich zufrieden mit sich.
Oh, er gab sich ernst, als er sie mit knappen Worten darüber informierte, dass er mit Manuel gesprochen hatte und dieser die Entscheidung seines Sohnes mittrug. Niemand schien erstaunt. Aber seine Augen funkelten vergnügt.
»Ich habe Cynna gebeten, uns zu bestätigen, dass Brian bei Friar ist«, sagte Isen. »Sie sagte, sie könnte nur feststellen, ob sich ein Lupus auf dem Grundstück aufhält. Erde stellt kein Hindernis für sie dar. Da es
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