Wolf Shadow Bd. 7 - Verbotene Pfade
und der Wassertank war viel zu exponiert. Aber da er für seine Vorbereitung sehr viel mehr Zeit gehabt hatte als sie, hatte er womöglich einen sicheren Weg zu einem der anderen Brunnen gefunden.
Sie hockte sich auf den Boden neben die Brunneneinfassung. Ihr Knöchel pulsierte, einmal nur und heftig, wie von der plötzlichen Entlastung überrascht. Dann wurde der Schmerz schwächer. Sie lächelte erleichtert.
Der Deckel ragte genau da, wo er sein sollte, aus der Dichtung. »Das Wasser muss gechlort werden, wennseverstähnwasichmein?«, hatte der Bauarbeiter gesagt, mit dem sie gesprochen hatte. Genauso hatte er es gesagt, die Worte zu einem zusammengezogen. »Da muss man es so einfach wie möglich halten, wennseverstähnwasichmein? Den Deckel abschrauben, Chlor reinschütten. Das war’s.«
Und tatsächlich war das alles, was Arjenie jetzt noch zu tun hatte. Den Deckel aufschrauben, den Trank reinschütten.
Dieser Trank war in der größeren Glasflasche. Etwa eine Tasse einer sehr öligen Flüssigkeit, eher ein trübes Gel. Als sie den Stöpsel abzog, nahm Arjenies menschliche Nase einen schwachen Duft wahr. Ähnlich wie Nelken, aber nicht ganz genauso.
Es roch wie Dya. Behutsam lehnte Arjenie sich vor. Dya hatte sie ermahnt, nichts von dem Trank auf ihre Haut kommen zu lassen. Er war sehr stark, auch wenn er am besten innerlich wirkte. Der kleinste Tropfen würde die Wirkung des Tranks, den sie eben zu sich genommen hatte, aufheben.
Denn das war heute Nacht ihr Ziel – etwas aufzuheben. Dafür zu sorgen, dass etwas nicht geschah.
»Aber Dya«, hatte Arjenie gesagt, als sie gehört hatte, was Dya ihr auftragen wollte, »wird Friar nicht dich verantwortlich machen, wenn nichts geschieht?«
»Ich möchte nicht schlecht von deiner Welt reden, aber die Leute hier sind sehr unwissend. Nachdem mein Misstrauen geweckt war, habe ich Friar wegen des Chlors gescholten.«
Arjenie hatte verblüfft geblinzelt. »Chlor?«
Dya hatte gekichert. »Du bist nicht so unwissend wie er, Füchschen. Ich wollte, dass er glaubt, das Chlor würde die Wirkung meiner Tränke stören. Er hatte mir nicht gesagt, dass ihr es hier in euer Wasser tut, verstehst du? Deswegen deutete ich an, dass, falls die Tränke nicht wirken, es seine Schuld wäre, weil er mich nicht informiert hatte. Er wird wütend sein, wenn nichts geschieht, denn das ist seine Natur. Doch er wird nicht annehmen, dass ich seinen Plan hintertrieben habe.«
»Könntest du nicht einfach … nun, statt sich die ganze Mühe mit dem Gegenmittel zu machen – «
»Es ist kein Gegenmittel, Arjenie. Es macht den Zauber ungeschehen.«
»Na gut, aber wäre es nicht einfacher gewesen, die Tränke ein bisschen falsch zusammenzumischen, damit sie nicht richtig wirken?«
Dya hatte sehr lange geschwiegen. Dann hatte sie leise gesagt: »Ich finde nicht gut, was Friar damit beabsichtigt, aber es ist nicht an mir, den Zweck, für den meine Arbeit bestimmt ist, zu billigen oder zu missbilligen. Ich tat das, was man von mir verlangte. Als ich hörte … als ich Verdacht schöpfte … « Ihre Stimme wurde zu einem Flüstern. » Das Gesetz der Königinnen , Arjenie. Wenn Friar es verletzt, dann tut es mein Herr ebenfalls. Er hat mich an Friar verliehen, also muss er davon wissen, aber es ist sehr schwerwiegend, seinen Herrn einer solch bösen Tat zu verdächtigen.«
»Du hast mir nicht gesagt, welches Gesetz der Königinnen Friar missachtet.«
»Frag nicht.«
Und mehr wollte Dya dazu nicht sagen. Frag nicht.
Sidhe hatten viele Welten und viele Herrscher, aber nur zwei Königinnen: Winter und Sommer. Die beiden Königinnen hatten nicht viele Gesetze erlassen, doch die wenigen waren erstaunlich umfassend. Eledan war es gewesen, der ihr zuerst von dem Gesetz der Königinnen erzählt hatte. Eigentlich hatte er zurückkommen wollen, wenn sie erwachsen war, um ihr die Gesetze genauer zu erklären, doch das tat er nicht. Wahrscheinlich hatte er es vergessen. Seine Vorstellung von Vaterschaft war äußerst unverbindlich.
Welches Gesetz hielt sie heute Nacht ein? Dass sie es nicht wusste, ärgerte Arjenie. Doch in einem größeren Zusammenhang – dem der vielen grausamen Dinge, die passieren könnten – , spielte es keine Rolle. Wichtig war nur, dass Friar das Handwerk gelegt wurde. Sie kippte die Flasche, und mit einem langsamen Gluck-Gluck floss der Trank in die Öffnung.
Dann seufzte sie, steckte den Stöpsel wieder auf und drehte den Deckel zu. Fertig.
Jetzt musste sie nur noch
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