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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Halblautes, Hastiges.
    »Nun natürlich, telefonieren Sie gleich von hier aus. Ich gehe unterdes zu meiner Frau. Dort finde ich sicher Geld.«
    Während Doktor Mainz mit irgendeinem Herrn Direktor Nolte telefonierte, der eigentlich heute abend noch zweihundertfünfzig Papierdollar bekommen, nun aber bis morgen früh sich gedulden sollte, bedachte Pagel, welch ungewohnte Unordnung sein Verlangen in diesen Betrieb getragen hatte. Aber – stellte er verwundert fest – wie ordentlich wickelte sich selbst solche Unordnung ab! Leise, selbstverständlich – Autos warteten vor der Tür, jeder Angestellte kommt trotzdem dahin, wohin er zu kommen wünscht; auf einem Zettel stehen säuberlich die Einzelbeträge … Während die Unordnung entsteht, geschieht schon alles, um sie nach möglichst kurzer Spanne wieder zu beseitigen.
    Ich, denkt Pagel düster, habe auch Unordnung entstehen lassen, aber nie habe ich daran gedacht, sie zu beseitigen. Sie ist größer und größer geworden, sie hat Bezirke ergriffen, an die ich nie gedacht hatte. Jetzt ist alles bei mir Unordnung, es gibt nichts Geordnetes mehr bei mir!
    Einen Augenblick denkt er daran, daß er oft von Petra verlangte, sie sollte sich morgens anziehen, ehe die Thumann den Kaffee brachte.
    Ich habe mir und vor allem ihr etwas vorgespielt. Unordnung wird nicht zur Ordnung, wenn man eine Decke darüberlegt. Im Gegenteil: sie wird zur Unordnung, die man nicht mehr zu vertreten wagt. Zu einer verlogenen, feigen Unordnung. Ob Peter wohl etwas davon verstanden hat –? Was sie nur gedacht hat –? Hat ihr darum so viel daran gelegen, daß wir einander heirateten –? War es auch bei ihr der Wunsch nach Ordnung? Immer hat sie ohne ein Wort getan, was ich vorschlug. Im Grunde weiß ich nichts von dem, was sie gedacht hat …
    Der Händler kommt lachend, ein dickes Bündel Papiergeld schwingend, zurück.
    »Heute abend bleibt bei mir alles zu Haus. Meine Frau istselig, sie wollte zu irgendeiner grausigen Premiere, mit nachfolgender Feier des schon jetzt zu einem Ochsenfrosch aufgequollenen Dichters. Sie ist froh, daß wir nun nicht hin können. Sie telefoniert schon begeistert aller Welt, daß wir gänzlich ohne einen Pfennig sind – morgen werde ich meine Zahlungseinstellung in der Zeitung lesen. – Und Sie, Doktor?«
    Es erwies sich, daß auch Doktor Mainz erfolgreich gewesen war: Herr Direktor Nolte wollte auf seine zweihundertfünfzig Dollar bis morgen früh warten.
    »Bitte, Herr Pagel«, sagte der Händler. »Tausend Dollar – siebenhundertsechzig Millionen. Es hat allerdings«, er zog die Uhr, »achtunddreißig Minuten gedauert; ich bitte für die acht Minuten um Entschuldigung.«
    Warum verhöhnt er mich eigentlich? dachte Pagel erbittert. Er sollte mich lieber fragen, wozu ich das Geld brauche! Man kann doch in eine Lage kommen, in der man sofort Geld braucht! Eine Stimme in ihm sprach, daß man sehr wohl in solche Lage kommen könne, daß es da aber noch so etwas wie eine Schuldfrage gebe … Kann ich für die Dämlichkeiten der Polente –?! erbitterte er sich …
    »Es ist etwas viel Papier, dem Zuge der Zeit entsprechend«, lächelte der Kunsthändler. »Soll ich Ihnen ein Paket daraus schnüren lassen? Sie stecken es lieber in die Taschen? Es regnet sehr stark draußen. Nun, Sie nehmen wohl ein Auto … Gleich rechts, wenn Sie aus unserer Tür kommen, vor dem Hotel Esplanade … Oder soll ich Ihnen eines rufen lassen?«
    »Nein, danke«, hatte Pagel mürrisch gesagt, indem er das Papier in seine Taschen zwängte. »Ich gehe …«
    Und nun ging er schon durch die Königstraße, ziemlich durchnäßt, die Hände schützend über die beiden Außentaschen gebreitet. Sie mochten mit ihm böse werden wie die Mutter oder höhnisch wie dieser Bilderfritze, sie mochten auch in Bedrängnis geraten wie der Peter – er tat genau das, was er wollte, mit dem Kopfe durch die Wand. Er riß das Geld nicht an, er dachte nicht daran, sich ein Auto zu nehmen,und wenn seine Taschen von Geld platzten –! Wollte er nicht, zwangen ihn weder Regen noch Not.
    Er ging auch jetzt nicht etwa direkt auf die Polizeiwache, wo die Petra saß; er ging erst einmal zu der Thumannschen – auf Erkundung. Nach wie vor war er überzeugt, daß alles im Leben Zeit hatte. Er war ein Maulesel: je mehr man ihn schlug, um so störrischer wurde er.
    Oder aber – hatte er vielleicht einfach Angst vor dem, was er auf der Wache erfahren würde? Fürchtete er sich vor der Scham, die er empfinden mußte,

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