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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Gesprächstemperatur auf kühl herabgesetzt, aber trotzdem würde er keinen Augenblick zögern, sich diese Konstellation trotz aller Mißbilligung zunutze zu machen und das Bild zu kaufen. Dieser große, sichere, reiche Mann mit dem schwarzen Assyrerbart hatte eben auch seine faulige Stelle – wie alle. Man hatte nicht die geringste Veranlassung, sich vor ihm zu schämen – im Gegenteil! Er, Pagel, mußte verkaufen; der große Mann aber mußte gar nicht kaufen.
    »Ich muß«, sagte Pagel ruhig, »den ganzen Betrag in einer halben Stunde haben. Heute abend brauche ich das Geld, nicht morgen früh. Es gibt noch andere Käufer …«
    Der Kunsthändler machte eine wegwerfende Handbewegung, jedenfalls für dieses Bild kamen andere Händler nicht mehr in Frage.
    »Das Geld wird beschafft werden. Ich weiß zwar noch nicht, wie. Aber es wird beschafft.«
    Er flüsterte einen Augenblick mit seinem Adlatus Mainz, der nickte und ging.
    »Kommen Sie bitte mit mir, Herr Pagel. Doch ja, das Bild können Sie ruhig hier stehenlassen – ich habe es gekauft.«
    Pagel wurde in das Arbeitszimmer des Mannes geführt, einen großen, fast düsteren Raum; nur großstrichige Kohlezeichnungen irgendeines unbekannten Künstlers hingen an der Wand.
    »Bitte, setzen Sie sich. Vielleicht dort. Hier stehen Zigaretten. Ich stelle Ihnen Whisky und die Sodaflasche in Reichweite. Es wird« … leiser Spott … »vielleicht auch fünfunddreißig Minuten dauern. Also machen Sie es sich bequem. Herein!«
    Herein kamen sie nun nacheinander, die Angestellten des Hauses – von den akademisch gebildeten Kunsthistorikern an bis zu den ganz unakademischen Reinemachefrauen des Hauses, die schon ihr Abendwerk begonnen hatten. Doktor Mainz hatte ihnen Bescheid gesagt, sie traten ohne ein Wort an den Schreibtisch ihres Herrn, zogen aus Kleidertaschen, Westentaschen, Geldbörsen, Portemonnaies ihre Habe, zählten auf, und der Chef schrieb an: »Doktor Mainz: eine Million vierhundertfünfunddreißigtausend. Fräulein Siebert: zweihundertsechzigtausend. Fräulein Plosch: siebenhundertdreiunddreißigtausend. Ich danke Ihnen, Fräulein Plosch …« Es mußte eine gute Verbundenheit zwischen Chef und Angestellten in diesem Hause herrschen, jeder gab ohne ein Wort, mit einer Selbstverständlichkeit, die gut wirkte. Sie verzichteten vielleicht auf etwas, was sie sich für diesen Abend vorgenommen, diese Stenotypistinnen, Buchhalter, Galeriediener. Manchmal fiel ein Blick von ihnen auf den Herrn im Sessel, der da Whiskysoda trank und rauchte;es war nicht etwa ein feindlicher, es war ein ganz fremder Blick.
    Es war ihnen gleichgültig, wozu dieser Mann im schäbigen Waffenrock so eilig das Geld brauchte, daß sie auf ihre Abendvergnügungen verzichten mußten; es war ihnen nicht gleichgültig, ob ein Bild, das der Chef zu kaufen wünschte, wieder aus dem Hause getragen wurde. Das Hergeben, Aufzählen, Notieren des Geldes geschah auf beiden Seiten so selbstverständlich – auch von seiten des Kaufmanns ohne jeden beflissenen Dank, ohne billigen Scherz, ohne verlegene Erklärung –, daß grade diese Selbstverständlichkeit Pagel beinahe dazu veranlaßte, erklärend, entschuldigend zu sagen: Ich brauche das Geld
wirklich
heute abend noch. Mein Mädchen ist nämlich im Gefängnis, und ich muß …
    Ja, was mußte er eigentlich –? Jedenfalls sofort Geld haben, viel Geld.
    Wolfgang Pagel sagte nichts.
    »Halt, Fräulein Bierla«, sagte der Händler. »Ich sehe da noch fünfzigtausend in Ihrem Portemonnaie – Sie entschuldigen, aber wir müssen heute abend jede Mark zusammenkratzen …«
    Verlegen murmelte die bräunliche Schöne etwas von Fahrgeld.
    »Sie brauchen natürlich kein Fahrgeld. Doktor Mainz hat zu Geschäftsschluß ein paar Taxen vor die Tür bestellt. Die Chauffeure fahren Sie, wohin Sie wollen.«
    Langsam wuchs der Stoß Papierscheine auf dem Schreibtisch. Unzufrieden sagte der Händler, in der eigenen Brieftasche kramend, sie entleerend, zu Doktor Mainz: »Wenn man die Zeitungen liest, auf die Leute hört, schwimmt alles im Geld. In allen Taschen sitzt es, in allen Händen raschelt es. Hier liegt das, was siebenundzwanzig Menschen, Sie und ich eingeschlossen, bei sich trugen. Es sind noch keine siebenhundert Mark, nach Friedenssatz. Eine lächerlich aufgebauschte Angelegenheit, diese Zeit. Wenn die Leute sich einmal klarmachten, wie wenig Ziffern vor so vielen Nullen stehen, würden sie sich nicht so bezaubern lassen.«
    Doktor Mainz flüsterte etwas

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