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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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gebeten hatte, sie mitzunehmen; da sie noch, wurde die Geldnot gar zu beängstigend, dann und wann (selten genug) selbst auf die Jagd nach einem zahlenden Herrn ging, hatte sie auch zwei oder drei Zusammenstöße mit der Hühnerweihe gehabt. Das Mädchen war wohl damals grade unter Kontrolle gestellt worden und hatte von dieser Stunde an alle, die nicht zu den »Gewerbsmäßigen« gehörten, mit einem flammenden, lauten, vor keiner Gemeinheit zurückschreckendenHaß verfolgt. Entdeckte sie so ein Mädchen, das in ihrem »Revier« wilderte, einen Herrn ansprach, ja nur Blicke warf, versuchte sie zuerst, die Polizei für den Fall zu interessieren. Gelang ihr das nicht oder war kein Schupo in der Nähe, scheute sie auch nicht davor zurück, die »Fremdgehende« bei dem Kavalier herunterzusetzen, wobei sie sich von einer schlimmen Behauptung in die schlimmere hineinsteigerte: zuerst bloß, sie stehle, dann bald, sie sei geschlechtskrank, habe die Krätze, und so weiter und so weiter.
    Schon damals war die letzte Waffe der Hühnerweihe ein heulendes Gekreisch gewesen, ein hysterisches Wutgeschrei, ins Unfaßliche gesteigert durch Kokain und Alkohol – jeder Kavalier suchte das Weite, wenn sie damit anfing.
    Petra hatte immer das Gefühl gehabt, daß sie der Hühnerweihe ganz besonders mißfällig war und von ihr mit einem noch gesteigerten Haß verfolgt wurde. Einmal war sie einem tätlichen Angriff nur durch eine panikartige Flucht durch die nächtlichen Straßen bis hinunter zum Viktoria-Luise-Platz entgangen, wo sie schließlich hinter dem Säulenhalbrund ein Versteck fand. Ein anderes Mal aber war sie nicht so glücklich gewesen: Die Hühnerweihe hatte sie aus einer Autotaxe, in die sie mit einem Herrn gestiegen war, wieder herausgeholt, und es hatte einen Kampf zwischen den beiden gegeben (der Herr war im Auto entflohen), bei dem Petra ein Kleid zerrissen und ein Schirm zerbrochen worden war.
    Das alles war sehr lange her, fast ein Jahr – oder schon mehr als ein Jahr? –, unendlich viel hatte Petra danach erfahren. Das Tor einer andern Welt hatte sich seitdem für sie geöffnet, und doch sah sie mit der alten Angst auf die Feindin von damals. Die hatte sich auch verändert seitdem, doch zum Schlimmeren. Sagte schon die Verlegung des Jagdreviers aus dem reichen Westen in den armen Osten genug von den nachlassenden Reizen der Hühnerweihe, in der Hauptsache hatten doch wohl die Rauschgifte – Kokain und Alkohol – in dem jungen Wesen ihr Werk getan. Die damals noch sanfte, runde Wangewar hager und faltig geworden, der weiche, rote Mund rissig und trocken, jede Bewegung fahrig, wie irr.
    Sie schrie, sie verspritzte allen Geifer, sie keifte atemlos – dann fragte der gelbliche Sekretär etwas, und sie fuhr wiederum los, als erneuere sich, geheimnisvoll, der Schmutz ständig in ihr. Schließlich machte der Sekretär eine Bewegung zu den beiden Polizisten, diese drehten das Mädchen von dem Verhandlungstisch fort zu den Zellen, und der eine sagte ruhig: »Na, denn komm, Kleines, schlaf deinen Rausch aus.«
    Sie setzte grade an, wieder loszuschimpfen, als ihr Blick durch die Gitterstäbe auf Petra fiel. Mit einem Ruck blieb sie stehen und schrie triumphierend: »Habt ihr das Aas endlich?! Gott sei Dank, diese verdammte Hure – ist sie schon unter Kontrolle?! So ein Schwein – nimmt einem anständigen Mädchen alle Kavaliere weg und macht sie noch krank, diese Nutte, diese elende! Die geht auf den Strich, Herr Wachtmeister, noch und noch – und alle Krankheiten hat sie im Leibe, so eine Drecksau, wie die –!«
    »Komm, komm, Mädchen«, sagte der Polizist ruhig und löste ihre Hand Finger um Finger von den Gitterstäben vor Petras Zelle, die sie umklammert hielt. »Schlaf dich ein bißchen aus!«
    Der Sekretär war hinter seinem Tisch aufgestanden und näher getreten. »Bringt sie lieber nach hinten«, sagte er. »Sonst versteht man hier sein eigenes Wort nicht mehr. Koks – wenn der erst verflogen ist, fällt sie zusammen wie ein nasser Waschlappen.«
    Die Polizisten nickten, zwischen ihren festen Gestalten flatterte das Mädchen, nur noch aufrecht gehalten von unsinniger Wut, die sich an allem entzündete. Noch über die Schulter, dann schon unsichtbar geworden, schrie sie Beschimpfungen gegen Petra.
    Der Sekretär wandte langsam seinen dunklen, müden und kranken Blick (auch das Weiße seiner Augen war gallengelb) auf Petra und fragte halblaut: »Stimmt das, was die sagt? Sind Sie auf den Strich

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