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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Leute oben – genauso betrunken –, alles Angestellte des Hotels. Eine Orgie – unter der Leitung Ihres Freundes. Und der einzige nicht betrunkene Teilnehmer, der Gast des Hotels, Herr Reichsfreiherr Baron von Bergen – niedergeschlagen von Ihrem Freund!«
    »Aber ich verstehe nicht …«, sagte der Rittmeister, ganz verwirrt von diesen märchenhaften Enthüllungen.
    »Ich verstehe es auch nicht!« sagte der Arzt fest. »Und ich will es auch gar nicht verstehen!«
    »Aber erklären Sie mir doch …«, bat der Rittmeister.
    »Es gibt keine Erklärung!« sagte der Arzt unerschütterlich. »Der Gast, ein Reichsfreiherr – niedergeschlagen von dem betrunkenen Empfangschef!«
    »Es müssen«, rief der Rittmeister hitziger, »besondere Umstände vorgelegen haben. Ich kenne Herrn von Studmann schon lange, er hat stets, auch unter schwierigsten Verhältnissen, seine Pflicht getan.«
    »Zweifelsohne«, sagte der Arzt höflich und zog sich vor dem Erregten gegen die Tür zurück.
    Als er den Türgriff in der Hand hatte, rief er, plötzlich auch erregt: »Das eine Frauenzimmer war halbnackt – in der Gegenwart des Reichsfreiherrn!«
    »Ich verlange«, rief der Rittmeister mit starker Stimme, »daß Herr von Studmann in ein menschenwürdiges Gelaß gebracht wird!«
    Er eilte dem fliehenden Arzte nach.
    »Ich mache Sie verantwortlich, Doktor!«
    »Ich lehne«, rief der Arzt dahinfliehend über die Schulter, »ich lehne jede Verantwortung an dieser Orgie und ihren Teilnehmern ab!«
    Und er stürzte in einen Seitengang.
    Der Rittmeister stürzte ihm nach.
    »Er ist krank, Herr Doktor!«
    Der Doktor hatte sein Ziel erreicht. Leicht sprang der alte Herr in den offenen Paternosterfahrstuhl.
    »Er ist betrunken«, rief er, schon mit den Füßen in Bauchhöhe des anstürmenden Gegners. Der hätte ihn gerne mit Gewalt seinen Pflichten zugeführt – umsonst, schon tauchte die nächste Fahrstuhlzelle vor ihm auf, der pflichtvergessene Arzt war endgültig seinen Blicken entflohen.
    Von Prackwitz, der mit all seinem Eifer nichts – außer der belanglosen Verordnung von Pyramidon – für seinen Freund erreicht hatte, stieß einen Fluch aus und machte sich auf denRückweg zur Rollstube. Doch der Wirrwarr der weißen Gänge mit den immer gleichen Türen machte ihn ratlos. Auf der Jagd nach dem Arzte hatte er nicht darauf geachtet, welche Haken dieser Hase geschlagen hatte, er ging suchend, unsicher hin und her – einmal mußte er doch alle Gänge untersucht haben. Blieb er nur ausdauernd, fand er auch die Tür, er erinnerte sich genau, sie offengelassen zu haben.
    Er ging und er ging. Weiße Türen, weiße Gänge. Sein Ortssinn wollte ihm einreden, daß er sich immer mehr von seinem Ziele entfernte, aber schließlich müssen die Kellerräume selbst eines großen Hotels einmal ein Ende nehmen. Aber da waren nun die Treppen. Hatte er vorhin eine Treppe passiert? Aufwärts oder abwärts? Er stieg abwärts, überzeugt, daß dies falsch war, und traf auf ein ältliches weibliches Wesen, mit einem strengen Blick hinter einem Klemmer, das in völliger Einsamkeit Wäsche in Schränke ordnete.
    Das Fräulein drehte sich beim Klang seiner Schritte um und musterte ernst den Fremden.
    Von Prackwitz, im Bewußtsein, hier ganz unbefugt zu wandern, grüßte sehr höflich. Die Wäschebewahrerin neigte ohne ein Wort ernst den Kopf. Von Prackwitz entschloß sich: »Ach, bitte, wie komme ich hier zur Rollstube?«
    Sein höfliches Lächeln milderte in nichts den Ernst der Dame. Sie schien nachzusinnen, dann machte sie eine umfassende Handbewegung. »Wir haben hier so viele Rollstuben …«
    Prackwitz versuchte, ihr die seine zu schildern, ohne Studmann erwähnen zu müssen. »In der Ecke stehen Wäschekörbe«, beschrieb er. »Ach, richtig! Und eine Chaiselongue mit blaugeblümter Bespannung. Ziemlich zerrissen«, setzte er nicht ohne Bitterkeit hinzu.
    Wieder dachte sie nach. Schließlich sagte sie abweisend: »Ich glaube nicht, daß wir eine fehlerhafte Chaiselongue haben. Bei uns wird immer alles gleich repariert.«
    Dies war nun eigentlich nicht die Wissenschaft, die sich Prackwitz auf seine Fragen gewünscht hatte. Aber er hatte in seinem früheren wie in seinem jetzigen Berufe stets mitMenschen zu tun gehabt, und so war ihm diese Spezies, die auf eine Frage nie exakt zu antworten weiß, wohlbekannt.
    »Trotzdem versuchte er es noch einmal. »Wo ist wohl die Hotelhalle?« fragte er.
    Prompt kam die Antwort: »Den Gästen aus dem Hotel ist das

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