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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Betreten der Wirtschaftsräume gänzlich untersagt.«
    »Gans«, sagte der Rittmeister ernst.
    »Wie –?!« schrie sie fast und verlor völlig Strenge und Haltung, bekam etwas hühnerhaft Gescheuchtes.
    »Ganz oder, besser noch, strengstens untersagt«, verbesserte der Rittmeister. »Nicht gänzlich. – Guten Abend also und besten Dank!«
    Er grüßte mit Würde, als sei sie die Kommandeuse des Regiments und er ein junger Leutnant. Er entschritt. Ganz oder gänzlich verwirrt blieb sie zurück.
    Der Rittmeister ging jetzt ruhiger in die Irre, der kleine Zwischenfall hatte ihn aufgefrischt. Zwar hatte er wiederum nichts für den Freund erreicht, wie er mit Bedauern bei sich feststellte, aber immerhin tat so etwas gut. Außerdem schritt er jetzt auf Teppichen, und wenn er sich vielleicht auch immer mehr von Studmann entfernte, näherte er sich womöglich bewohnten Gegenden des Hotels.
    Plötzlich stand er vor einer langen Türenreihe aus matt gewachster Eiche, festen, vertrauenerweckenden Türen.
    »Kasse I«, las er. »Kasse II«, las er. Er ging weiter. Es kamen die Betriebskasse, Einkauf A und Einkauf B, Angestelltenfragen, Syndikus, Arzt.
    Der Rittmeister sah das Arztschild mißbilligend an, zuckte dann die Achseln und ging weiter.
    »Sekretariat«.
    Höher hinauf, entschied der Rittmeister.
    »Direktor Hasse«.
    Er besann sich. Nein. Weiter. Noch weiter.
    »Direktor Kainz«. »Direktor Lange«. »Direktor Niedergesäß«.
    Sehr anziehend, zweifelsohne.
    Er überlegte. Ein Direktor Niedergesäß mußte etwas Anziehendes haben – ein Mensch, der solchem Namen zum Trotz Direktor wurde, war unbedingt eminent tüchtig.
    Aber dann fiel dem Rittmeister ein, daß er es den Leuten ja unbedingt zeigen wollte, und er ging noch eine Tür weiter. Er hatte recht getan, an dieser Tür hing ein Schild »Generaldirektor Vogel«.
    Dieser Vogel soll mir singen, dachte der Rittmeister, klopfte kurz entschlossen und trat ein.
    Hinter dem Schreibtisch saß ein grauer, fahler, großer, massiger Mann, der einer sehr hübschen jungen Sekretärin etwas in die Maschine diktierte. Er sah kaum auf, als der Rittmeister sich vorstellte.
    »Bitteangenehmbittenehmensieplatz«, sagte er hastig, mit der zerstreuten, wesenlosen Höflichkeit der Männer, die beruflich immer wieder neue Menschen kennenlernen müssen. »Einen Augenblick bitte. – Wie weit waren wir, Fräulein? – Rauchen Sie, bitte bedienen Sie sich!«
    Das Telefon klingelte.
    Sehr leise sprach er in den Apparat, doch sehr deutlich: »Vogel. – Ja, Vogel selbst. – Sein Arzt kommt? – Wie heißt er? Wie –? Buchstabieren Sie! Wie heißt er? Schröck? Geheimrat Schröck? – Wann kommt er? In fünf Minuten? Schön, sofort zu mir. – Ja, doch, es läßt sich machen. – Ich habe nur noch etwas zu diktieren und eine kurze Besprechung –«, er sah den Rittmeister nachdenklich, zerstreut über das Telefon hin an … »drei Minuten. – Schön. Also keinesfalls hinauf nach 37, sondern zu mir. Danke.«
    Der Hörer wurde eilig, doch sorgfältig aufgelegt.
    »Wie weit waren wir, Fräulein?«
    Das Fräulein murmelte etwas, der Generaldirektor fing wieder an zu diktieren.
    Drei Minuten gibst du mir, dachte der Rittmeister ärgerlich. Na warte, du sollst dich geirrt haben! Ich werde dir zeigen …
    Seine Gedankenkette riß ab. Er hörte einen Namen, stutzte, hörte genauer hin …
    Der Direktor diktierte eilig, tonlos: »Wir bedauern es außerordentlich, daß Herr von Studmann, dessen menschliche wie fachliche Qualitäten wir während seiner anderthalbjährigen Tätigkeit in hiesigem Betriebe so überaus schätzengelernt haben …«
    Der Generaldirektor holte Atem …
    »Einen Augenblick!« rief der Rittmeister lebhaft und stand auf.
    »Einen Augenblick!« sagte der Direktor tonlos. »Ich bin sofort fertig. – Wie weit waren wir, Fräulein –?«
    »Nein, Fräulein«, protestierte der Rittmeister. »Bitte – wenn ich recht verstanden habe, diktieren Sie ein Zeugnis für Herrn von Studmann? Herr von Studmann ist mein Freund.«
    »Ausgezeichnet«, sagte der Direktor grau. »So werden Sie sich seiner annehmen. Wir waren in Verlegenheit …«
    »Herr von Studmann liegt auf einer zerrissenen Chaiselongue in einer Plättstube«, klagte der Rittmeister erbittert. »Keine Seele kümmert sich um ihn.«
    »Sehr bedauerlich«, gab der Direktor höflich zu. »Ein Mißgriff, den ich mit der augenblicklich durch das Ereignis geschaffenen Unordnung zu entschuldigen bitte. – Fräulein, rufen Sie an.

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