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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Herr von Studmann ist unauffällig in sein Zimmer zu bringen. Unauffällig, Fräulein, bitte, unauffällig!«
    »Sie wollen Herrn von Studmann rausschmeißen!« rief der Rittmeister empört und zeigte auf den Stenogrammblock. »Man verurteilt keinen Angeklagten, ohne ihn zu hören.«
    Das Fräulein telefonierte. Der Generaldirektor sagte unberührt, grau: »Herr von Studmann wird sofort auf sein Zimmer geschafft.«
    »Sie dürfen ihn nicht ohne weiteres entlassen!« rief von Prackwitz.
    »Wir entlassen ihn nicht«, widersprach der Generaldirektor.
    Von Prackwitz hatte den Eindruck, als könne dieser graue Koloß von keiner Erregung, keiner Bitte, keinem menschlichen Gefühl erreicht werden.
    »Wir bewilligen Herrn von Studmann einen längeren Urlaub.«
    »Herr von Studmann braucht keinen Urlaub!« versicherte der Rittmeister, zwar ahnungslos, aber heftig. Doch spürte er schon, wie sein Zorn vor diesem unangreifbaren, leidenschaftslosen Grau zerrann.
    »Herr von Studmann braucht Urlaub«, beharrte der andere. »Seine Nerven sind angegriffen.«
    »Sie verurteilen ihn ohne Anhören«, rief der Rittmeister schwächer.
    »In dem von dem Reichsfreiherrn Baron von Bergen bewohnten Zimmer«, sagte der Generaldirektor eintönig, als lese er ein Protokoll vor, »fanden wir neunzehn Sektflaschen, davon fünfzehn geleert. Vier Kognakflaschen – leer. Zwei Boys des Hotels – völlig betrunken. Zwei andere männliche, aber erwachsene Angestellte des Hotels – völlig betrunken. Ein mangelhaft bekleidetes Zimmermädchen des Hotels – völlig betrunken. Eine aushilfsweise beschäftigte Reinemachefrau – völlig betrunken. Den Gast, Herrn Baron von Bergen – völlig nüchtern, aber mit blau geschlagenem Auge, aber nahezu besinnungslos infolge mehrerer brutaler Schläge über den Kopf. Wo wir Ihren Freund, Herrn von Studmann, fanden, das wissen Sie vermutlich.«
    Doch etwas betreten, neigte Rittmeister von Prackwitz den Kopf.
    »Einerseits«, sagte der Generaldirektor nicht mehr ganz so farblos, »ehrt Sie die Freundestreue. Andererseits frage ich Sie: beteiligt sich ein gebildeter Mensch mit gesunden Nerven an solchem Bacchanal?«
    »Aber es muß doch eine besondere Ursache vorgelegen haben!« rief von Prackwitz verzweifelt aus. »Ohne das würde Herr von Studmann nie …«
    »Können Sie sich eine besondere Ursache denken, aus der Sie sich an solcher Orgie beteiligen würden, Herr von …?«
    »Prackwitz«, half von Prackwitz aus.
    »Herr von Prackwitz. Es muß Ihnen doch verständlichsein, daß wir einen so kompromittierten Mann nicht weiter in unserm Betriebe beschäftigen können. Schon wegen der Angestellten …«
    Es klopfte kurz, kriegerisch.
    Auf flog die Tür, und herein stürmte ein kleiner, säbelbeiniger Greis mit hoher, schöner Stirn, funkelnden, blauen Augen und einem vergilbenden, früher wohl brandroten Vollbart. Ihm folgte langsamer ein untersetzter, kräftiger Mann, dem das Jackett über den Schultern stramm saß wie bei einem Preisboxer.
    »Haben Sie ihn noch?!« schrie der gerötete Greis mit Krähstimme. »Wo haben Sie ihn?! Lassen Sie ihn um Gottes willen nicht weg! Türke, kümmern Sie sich! Tummeln Sie sich!! Lassen Sie ihn nicht fort! Laufen Sie! – Seit vierundzwanzig Stunden rase ich durch ganz Berlin diesem Burschen nach! Ich glaube, es gibt kein Nuttenlokal in dieser elenden Stadt, in das ich nicht schon meine kummervolle Nase gesteckt habe! Verdammt!!«
    Er hatte mit der Hand die besagte Nase ergriffen und sah atemlos die Erstarrten im Kreise an. Hinter ihm hielt sich noch immer, ohne sich zu tummeln, der Vierschrötige im zu engen Jackett, vermutlich also Herr Türke.
    Als erster enttauchte der Generaldirektor seiner Erstarrung – wahrscheinlich hatte ihn sein Beruf gegen die wildesten Ausgeburten menschlicher Spezies abgehärtet.
    »Vogel«, stellte er sich vor. »Vermutlich spreche ich mit Herrn Geheimrat Schröck?«
    »Nein,
ich
spreche mit Ihnen!« schrie der Greis. Er ließ seine Nase los. Der Übergang von Ruhe zu stärkstem Ausbruch war so plötzlich, daß alle – ausgenommen der unerschütterliche Herr Türke – erschraken. Ein unbändiges Temperament mußte in diesem säbelbeinigen Alten stecken. »Ich frage Sie seit drei Minuten, ob der Kerl noch hier ist!«
    »Wenn Sie den Reichsfreiherrn Baron von Bergen meinen«, fing grau und verschollen der Generaldirektor wieder an, »so ist er meines Wissens auf Zimmer 37 …«
    »Türke!« schrie der Geheimrat Schröck, »haben Sie es

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