Wolf unter Wölfen
gehört: Zimmer 37 –? Gehen Sie rauf, bringen Sie mir den infamen Bengel runter, wie er geht und steht. Passen Sie auf, Sie kennen seine Mätzchen! Denken Sie daran, daß er Ihren Kollegen in seinem Zimmer eingesperrt hat …«
Der Vierschrötige nickte brummig: »Mir kommt er schon nicht aus. Mit mir hätte er so was nicht machen dürfen, Herr Geheimrat …« Er schob sich langsam aus der Tür.
»Ein ausgezeichneter Irrenpfleger!« murmelte der Geheimrat. »Ein Mann ohne eine Spur Sentimentalität!« Und mit plötzlich neu erwachender Besorgnis: »Er wird doch nicht etwa wieder ausgerissen sein –?«
»Nein, nein«, beruhigte der Generaldirektor vorsichtig den Irrenarzt. »Er kann nicht fort. Es ist leider einiges vorgefallen …« Mit einem Blick auf den Rittmeister: »Ich berichte Ihnen sofort, wenn ich diesen Herrn …«
Mit einem erleichterten Seufzer ließ sich Geheimrat Schröck in einen Sessel sinken. Er trocknete sich die Stirne. »Also er kann nicht weg. Gottlob! Es ist etwas vorgefallen. Wohin der Bursche auch kommt, fällt etwas vor.« Mit einem Seufzer der Ergebung: »Polizei? Staatsanwalt?«
»Nein, nein«, beeilte sich der Generaldirektor Vogel, »das wird nicht nötig sein. Der Herr wird sicher Abbitte leisten.« Mit einem bösen, eiligen Blick auf den Rittmeister: »Wir werden jeden Schaden ersetzen. Einer unserer Angestellten hat sich leider so weit vergessen, den Herrn Baron zu schlagen.«
Der Greis schnellte aus dem Sessel hoch. »Wo ist er? Wer ist es?« Auf den Rittmeister zu: »Sind Sie es?«
»Er hat ihm anscheinend eine Sektflasche an den Kopf geworfen!« klagte in fahler, aber unverbindlicher Betrübnis der Generaldirektor.
»Ausgezeichnet!« schrie der Greis. »Eine Sektflasche – großartig! Sie nicht –? Ihr Freund? Lassen Sie mich Ihren Freund sehen! Ich muß ihm danken. Es geht nicht? Warum geht es nicht?«
»Ihr Pflegling scheint meinen Freund – und noch ein halbes Dutzend andere – auf rätselhafte Weise betrunken gemacht zu haben.«
»Na also«, sagte Geheimrat Schröck. »Also die übliche Schweinerei!« Er setzte sich ergeben. »Ich werde das in Ordnung bringen, niemand soll Schaden erleiden. Sie da, mein sehr verehrter Herr Generaldirektor, scheinen noch von dem Titel ›Reichsfreiherr‹ und so weiter geblendet zu sein. Lassen Sie sich sagen, dieser Reichsfreiherr ist der windigste, verdorbenste, gemeinste, sadistischste Bengel von der Welt! Und feige dazu!!«
»Herr Geheimrat!« bat der Generaldirektor förmlich.
»Es ist so!« funkelte der Geheimrat. »Er bildet sich ein, weil er wegen Verschwendungssucht entmündigt worden ist und weil er einmal in einer bösen Sache auf den Paragraphen 51 freigesprochen wurde, er kann nun tun, was er will. Faul und ohne Respekt, ohne eine Spur menschlichen Gefühls …« Er flammte neu auf. »Morgens und abends müßte der Bengel Prügel haben, in ein Gefängnis müßte er, zum mindesten in eine staatliche Irrenanstalt … da würden ihm seine Späße schon ausgetrieben werden –!«
»Er ist doch aber in Ihrem Sanatorium – ein armer Kranker!« flehte der Generaldirektor.
»Leider!« schimpfte der Geheimrat. »Leider immer noch. Ich biete ihn meinen Kollegen an wie saures Bier, aber keiner will ihn, trotzdem er mein höchstzahlender Patient ist. Ach was, Patient –! Einfach ein bösartiger Affe! – Wenn ich ihn jetzt wieder in meine Anstalt bringe, natürlich auf die geschlossene Abteilung, hinter Gitter und sichere Türen, hält er sich vier Wochen, hält er sich auch acht Wochen ruhig – besonders, wenn ihn Ihr Freund ordentlich verdroschen hat …«
»Vor einer Viertelstunde war er fast ohne Besinnung«, sagte der einschwenkende Generaldirektor.
»Ausgezeichnet! – Dann aber sticht ihn wieder der Hafer. Er quält wehrlose Kranke bis aufs Blut, stiehlt Zigaretten, reizt alle Pfleger, treibt mich und meine Assistenten zumWahnsinn … Und dann ist er ja nicht dumm, er ist teufelsschlau, dann bricht er wieder aus. Wir können aufpassen, soviel wir wollen, immer findet er einen Dummen, den er übertölpelt … Er pumpt sich Geld, er stiehlt es … Und ich kann nichts machen«, knirschte der Alte. »Ich werde ihn nicht los. Das Gesetz ist für ihn: nicht im Vollbesitz seiner Geisteskräfte …«
Er saß plötzlich alt und recht erschöpft da: »Seit vierundzwanzig Stunden jage ich in meinem Wagen hinter ihm drein.« Der Geheimrat sah sich im Kreise um, müde. »Wenn ich ihn bloß los würde!« stöhnte er wieder
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