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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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verzweifelt. »Aber womöglich kommt er dann in Freiheit – nein, ich kann es nicht verantworten.« Er besann sich: »Versuchen wir wenigstens das letzte, die Kosten. Vielleicht wird es seiner Mutter – er hat nur eine Mutter, leider – doch einmal über, für ihn zu bezahlen. Herr Direktor, ich darf um eine Rechnung bitten, eine Aufstellung …«
    »Ja«, sagte der Direktor zögernd, »es ist reichlich viel Alkohol konsumiert worden, Sekt, Kognak …«
    »Unsinn«, erboste sich der Geheimrat. »Das sind Lappalien. Sekt! Kognak! Nein, jeder Geschädigte hat Anspruch auf eine Entschädigung. Ich höre von einem halben Dutzend Menschen, die er betrunken gemacht hat … Ihr Freund zum Beispiel –?«
    »Ich weiß nicht, ob mein Freund …«, begann von Prackwitz zögernd.
    »Um des Himmels willen!« erboste sich der Geheimrat. »Seien Sie kein Narr! Verzeihen Sie, das sollte ich natürlich nicht sagen, aber seien Sie wirklich kein Narr! Je mehr Kosten entstehen, um so eher ist Aussicht da, daß die Mutter den Bengel wirklich eines Tages einmal in eine handfeste Irrenanstalt sperrt. Sie tun der Menschheit einen Dienst …«
    Der Rittmeister sah erst den Generaldirektor, dann die Schreibmaschine mit dem noch immer eingespannten Entlassungszeugnis an.
    »Mein Freund, hier Subdirektor und Empfangschef, sollallerdings von der hiesigen Hotelleitung entlassen werden, weil er sich im Dienst betrunken hat …«, sagte er zögernd.
    »Ausgezeichnet!« rief der Geheimrat, aber diesmal unterbrach der Generaldirektor.
    »Ich muß Herrn von Prackwitz leider widersprechen«, sagte er eilig. »Wir bewilligen Herrn von Studmann einen längeren Urlaub, sagen wir ein viertel, sagen wir sogar ein halbes Jahr. Während dieser Zeit wird Herr von Studmann bei seiner Tüchtigkeit unschwer eine andere Stellung finden. Wir entlassen ihn«, sprach der Generaldirektor energisch, aber grau, »nicht wegen Trunkenheit im Dienst. Wir bitten ihn, sich nach einer andern Tätigkeit umzusehen, weil ein Hotelmann unter keinen Umständen auffallen darf. Herr von Studmann ist leider sehr aufgefallen, als er vor vielen Angestellten und noch mehr Gästen mangelhaft bekleidet und völlig betrunken die Hallentreppe hinunterfiel.«
    »Es kommt«, sagte der Geheimrat zufrieden, »außer der Entschädigung für eine verlorene Stellung zweifelsohne auch ein Schmerzensgeld in Frage. Das freut mich aufrichtig, ich sehe Licht. Es sollte mich nicht wundern, wenn dies dem Knaben Bergen erst einmal den Rest geben würde. Wie erreiche ich Ihren Freund? Bei Ihnen? Danke schön. Ich notiere mir Ihre Adresse. Sie hören von mir in zwei bis drei Tagen. Wirklich ausgezeichnet. Übrigens zahlen wir natürlich wertbeständig. – Ich versichere Ihnen, es können nicht Kosten genug entstehen. – Ach, machen Sie sich doch keine Gedanken! Glauben Sie, ich geniere mich?! Ich geniere mich den Deubel! Tut keinem weh, leider nicht.«
    Der Rittmeister stand auf. Seltsam war dieses Leben. Hier war wirklich einmal einer die Treppe hinuntergefallen und dadurch seine Sorgen los. Herr von Studmann konnte nach Neulohe kommen, ein sorgenloser Mann, seinetwegen paying guest, er war nicht mehr allein.
    Er verabschiedete sich; nochmals bedauerte der Geheimrat, dem Freund für den trefflichen Niederschlag nicht doch die Hand schütteln zu dürfen.
    Als von Prackwitz aus der Tür wollte, ging sie auf, und herein wankte, vom Pfleger Türke halb gestützt, halb abgeführt, ein rotes, gelbgeflammtes Wesen, jämmerlich anzuschauen mit dem blaugeschlagenen Auge, dem verschwollenen Gesicht. Verächtlich anzuschauen mit dem feige kriechenden Blick.
    »Bergen!« krähte die Stimme des Geheimrats grell wie Hahnenschrei. »Bergen, kommen Sie hier mal her!«
    Der Feigling knickte zusammen; in seinem Schlafanzug, prächtig und jammervoll, fiel er auf die Knie.
    »Herr Geheimrat!« flehte er. »Tun Sie mir nichts, schicken Sie mich nicht in eine Irrenanstalt! Ich habe nichts getan! Die haben den Sekt ganz gerne getrunken …«
    »Bergen!« erklärte der Geheimrat. »Zuerst werden Ihnen Ihre Zigaretten entzogen.«
    »Herr Geheimrat, bitte, tun Sie das nicht! Sie wissen, ich halte es nicht aus. Ich kann nicht leben ohne Rauchen! Und ich hab auch nur in die Decke geschossen, als der Herr nicht trinken wollte …«
    Von Prackwitz zog leise die Tür hinter sich zu. Es war eine doppelte, eine gepolsterte Tür, das Jammern des elenden Kerls, dieses Jammern eines Kindes ohne die Reinheit und Unschuld des Kindes, war

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