Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
Vom Netzwerk:
auch gerufen.
    Hubert hat ein Auge auf den Tisch, ob sie dort etwas brauchen, und beide Ohren auf das Gespräch. Trotzdem er keine Miene seines etwas faltigen Gesichtes verzieht, ist er doch von hoher Freude erfüllt, wie das gnädige Fräulein die gnädige Frau anschwindelt. Hubert hat nämlich in dem kleinen Haushalt neben der Köchin Armgard und dem Mädchen Lotte wenig zu tun, so hat er sich eine Beschäftigung daraus gemacht, alles zu erfahren, alles zu sehen, alles zu wissen. Hubert weiß sehr viel – er weiß zum Beispiel genau, wie das gnädige Fräulein seinen Nachmittag verbracht hat. Was die gnädige Frau nicht weiß.
    »Hast du heute nachmittag auch nach Großpapas Gänsen gesehen?« hört Hubert Frau von Prackwitz fragen.
    Frau Eva von Prackwitz ist eine sehr gut aussehende Frau, vielleicht eine Spur zu voll, aber das merkt man erst, wenn sie neben dem langen, mageren Rittmeister steht. Sie hat all den sinnlichen Reiz einer Frau, die gerne Frau ist, die glücklich ist, Frau zu sein, die zudem das Landleben liebt und der das Land diese Liebe mit unerschöpflicher Frische zu danken scheint.
    Weio zieht eine vorwurfsvolle Schnute: »Aber, Mama, heute nachmittag war doch Gewitter!«
    Hubert versteht: Fräulein Violet spielt heute abend das ganz kleine Mädchen; das tut sie gerne, besonders dann, wenn sie etwas besonders Erwachsenes ausgefressen hat. So kommen ihre Eltern nicht auf falsche – heißt auf richtige Gedanken.
    »Du tust mir wirklich einen Gefallen, Violet«, sagt Frau von Prackwitz, »wenn du gut auf Großpapas Gänse paßt. Du weißt, Papa ärgert sich so, wenn die Gänse in seine Wicken gehen. Und das Gewitter fing doch erst um sechs an!«
    »Wenn ich eine Gans wäre, möchte ich auch nicht in Großpapas ollem, feuchtem Park sein mit dem sauren Gras«, erklärt Weio, immer noch mit Flunsch. »Ich finde, der Park stinkt!«
    Diener Hubert, wissend, wie oft und gerne das gnädige Fräulein geheim im geheimrätlichen Park weilt, ist von der vorsorglichen Naivität dieser Antwort hoch begeistert.
    »Aber, Weio – stinken, und bei Tisch!« Ihr Blick streift (mit lächelnder Ruhe) den Diener Räder, der ein untadeliges, wennschon völlig unjunges und faltiges Gesicht macht.
    »Na ja, Mama, ich geh nicht rein, ich find, er st…, riecht nach Leichen …«
    »Nein, Weio!« Die gnädige Frau klopft sehr energisch mit ihrem Gabelstiel auf den Tisch. »Nun ist es aber genug. Manchmal finde ich jetzt wirklich, du könntest schon ein bißchen erwachsener sein.«
    »Ja, Mama? Warst du schon erwachsener, als du so erwachsen warst wie ich?«
    Weio macht bei dieser Frage ein ganz strahlendes, völlig unschuldigesGesicht – trotzdem erwägt der Diener Räder, ob diese kleine Einfalt vielleicht etwas läuten gehört hat von den Jugendstreichen der Frau Mama. Es gibt da so ein Gerücht von dem alten Geheimrat, der einen Bauernjungen aus dem Schlafstubenfenster der Tochter geprügelt hat. Vielleicht ist dies Gerücht sogar wahr, jedenfalls findet Hubert, daß die nächste Frage der gnädigen Frau sehr gut zu diesem Gerücht paßt.
    Sie lautet: »Was hattest du eigentlich heute nachmittag so lange mit Inspektor Meier zu reden?«
    »Och!« sagt Weio wegwerfend und macht wieder eine Schippe. »Der olle Negermeier!« Plötzlich lacht sie. »Denk mal, Mama, alle Mädchen und Frauen hier im Dorf sollen ihm nachlaufen – und er ist doch so häßlich wie … ach, ich weiß nicht, wie der olle Abraham –!« (Abraham ist der im Pferdestall gehaltene Ziegenbock, der nach altem Kavalleristenglauben alle Krankheiten austreiben soll.)
    »Der Nachtisch, Hubert!« mahnt die gnädige Frau mit aller Ruhe, aber mit recht gefährlich funkelnden Augen.
    Räder marschiert aus dem Zimmer, wenn auch nicht ohne Bedauern. Fräulein Weio ist ausgerutscht, jetzt wird ihr todsicher der Kopf gewaschen. Sie hat ein bißchen dick aufgetragen in ihrem Übermut, völlig töricht ist die gnädige Frau nun auch nicht.
    Hubert hörte gerne, was die gnädige Frau jetzt sagt, und vor allem, was das Fräulein antwortet. Aber Hubert lauscht nicht an Türen, er marschiert schnurstracks in die Küche. Wenn man einen männlichen Grips hat, gibt es viele Wege, etwas zu erfahren, man muß nicht das Vertrauen der Herrschaft auf einen musterhaften Diener durch solches Lauschen erschüttern.
    In der Küche sitzt, am Küchentisch wartend, der alte Förster Kniebusch.
    »Guten Abend, Herr Räder«, sagt er sehr höflich. Denn der ganz für sich lebende,

Weitere Kostenlose Bücher