Wolf unter Wölfen
bloß unhöflich. Und das darfst du ruhig sein, wir sind ja bereits zweiundvierzig Jahre miteinander verheiratet, da bin ich einen unhöflichen Ehemann schon gewöhnt!«
Damit rauschte die Gnädige kurz ab zum Betsaal, der alte Herr aber stand lachend auf dem Treppenabsatz und dachte: I du Donner, da habe ich es mal wieder! Und gründlich! Aber recht hat sie – und so will ich denn mal wirklich wieder zu einer von ihren Andachten gehen, morgen oder übermorgen. Es muntert sie doch ein bißchen auf, und man soll auch einmal etwas für seine Frau tun, selbst wenn man schon zweiundvierzig Jahre verheiratet ist. – Wenn sie bloß nicht immer den Hickauf kriegen würde, sobald sie gerührt ist! Es ist genauso, wie wenn einer beim Billardspielen kickst – ich kann das Kicksen nicht hören, und ich kann den Hickauf nicht hören – und warte doch immer darauf. – Na, nun will ich noch ein bißchen rechnen, ich bin überzeugt, mein Herr Schwiegersohn zahlt viel zuwenig für den elektrischen Strom …
Damit stieg der Geheimrat hinauf in sein Arbeitszimmer und war drei Minuten später, von den Wolken einer Brasil eingehüllt, in seine streitbaren Rechnungen versunken, ein wohl alter, aber nicht umzubringender Rauschebart. Die Rechnungen waren aber darum so streitbar, weil er mit ihnen seinem Schwiegersohn zu Leibe wollte.
Der zahlte, wie für alles, auch für den elektrischen Strom dem Schwiegervater viel zuwenig, wie dieser fand; viel zuviel, wie er selbst fand. Neulohe war bei keiner Überlandzentrale angeschlossen, sondern erzeugte sich seinen Strom selber. Die stromerzeugende Maschine, ein hochmoderner Rohöl-Dieselmotor, stand mit den Akkumulatoren im Schloßkeller, und weil sie dort stand, war sie nicht dem Schwiegersohn, für den sie hauptsächlich arbeitete, verpachtet, sondern der alteHerr hatte sie für sich behalten, obwohl er nur »drei Funzeln in seinem Katen« brannte. Die Abmachung wegen des Strompreises war auch ganz einfach gewesen: jeder von beiden Teilen hatte seinen Anteil an den Kosten je nach dem Anteil am Verbrauch zu zahlen.
Aber auch die einfachste, die klarste Abmachung versagt dort, wo zwei sich nicht ausstehen können. Der alte Herr von Teschow fand, sein Schwiegersohn sei kein Landwirt, aber ein großer Herr von Habenichts, der auf Grund der schwiegerväterlichen Tasche gut leben wollte. Der Rittmeister von Prackwitz fand, daß sein Schwiegervater ein Neidhammel, ein Geizkragen und dazu ein gut Teil »plebejischer« sei, als er ertragen konnte. Der alte Herr sah sein Barvermögen unter der Inflation dahinschwinden, und je wertloser das in vielen Jahren Angehäufte wurde, um so dringender schien ihm die Jagd nach neuem Gelde. Der Rittmeister merkte, wieviel schwieriger das Wirtschaften von Monat zu Monat wurde, spürte, wie ihm die zu Geld verwandelte Ernte unter den Händen zerrann, sorgte sich und fand es höchst filzig von dem alten Herrn, daß er ewig mit neuen Forderungen, Einwendungen, Mahnungen kam.
Im ganzen fand der Geheimrat von Teschow, daß sein Schwiegersohn viel zu gut lebte. »Warum raucht er nicht wie ich Zigarren, an denen man ’ne Stunde suckeln und nuckeln kann? Nee, das müssen Zigaretten sein, diese Sargnägel, von denen man nur braune Fingernägel kriegt und die in drei Minuten weggepafft sind. Er ist nach dem Kriege mit einem Offizierskoffer hier angerückt, und mehr als schmutzige Wäsche ist da auch nicht drin gewesen! Nee, Belinde, wenn einer seine Zigaretten bezahlt, so sind wir es – aber natürlich bezahlt er sie gar nicht, sondern kauft auf Rechnung.«
»Alle jungen Leute rauchen heute Zigaretten«, hatte Belinde bemerkt und ihren Mann mit dieser Bemerkung erst recht in Fahrt gebracht. Ehefrauen, überhaupt Eheleute haben für solche irritierenden Bemerkungen ein besonderes Geschick.
»Ich werde ihn lehren! So jung ist er doch nicht mehr!«hatte der Geheimrat schließlich, drohend und blaurot angelaufen, ausgerufen. »Der Herr Schwiegersohn soll noch einmal lernen, wie schwer Geld verdient wird!«
Und so saß denn der alte Herr an seinem Schreibtisch und rechnete, in der Absicht, schwer Geld zu verdienen. Er rechnete aber aus, was seine Lichtanlage kosten würde, wenn er sie heute, zum Dollarkurs von vierhundertvierzehntausend Mark, anschaffen würde. Und diese Anschaffungskosten verteilte er auf zehn Jahre.
Denn länger hält die Anlage bestimmt nicht – und wenn sie auch länger hält, in der Zeit will ich sie bestimmt abgeschrieben haben.
Es war ein
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