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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Matratze, nimm eine Wolldecke! Kannst auch was tun! Du andere auch!«
    Die beiden Zigeunerinnen sprangen auf, grinsend taten sie, was er gesagt.
    »Du da, kleine Hübsche auf dem Bett«, rief der Wärter von der Zellenschwelle. »Hoch mit dir jetzt! Nun gibt’s Koks!«
    Mit einem Freudenschrei sprang die Hühnerweihe auf, lief taumelnd auf die Wärter zu. »Ihr seid Kerle –!«
    Die alte Frau richtete sich ächzend auf, tastete mit vorsichtigen Händen nach ihren Haaren.
    »Weg da!« rief der Rotblonde zur Hühnerweihe. »Drei Schritt vom Leibe!« Und nach einem prüfenden Blick: »Ja, die simuliert wirklich nicht. Das ist eine Kokserin wie nur eine.«
    Von dem Befehl zurückgescheucht, von dem Versprechen ermuntert und gehorsam gemacht, stand die Hühnerweihe aufmerksam da. Mit hängenden Armen und hündisch erwartungsvollem Blick sah sie die Männer an. Petra, die Zigeunerinnen warteten auch. Nur die Lange, Blasse hatte sich vor den Männerblicken ganz unter die Bettdecke verkrochen, und die Dicke murmelte ärgerlich: »Ach, haut ab mit eurem Quatsch! Laßt eins doch nachdenken!«
    »Leg dich lang auf die Erde, du!« befahl der Rotblonde. »Ja, tu’s. Sonst gibt’s keinen Koks.«
    Die Kranke zögerte, dann, mit einem leisen, enttäuschten Schrei, legte sie sich auf den Zellenboden.
    »Die Arme an den Leib!« befahl der Wärter. »Du, mach keine Geschichten! So, nun rollt sie erst in eine Decke! Fester! Fester!! Ganz fest, so fest ihr könnt! Ach Quatsch, das tut ihr nicht weh! Zeig ihr den Koks, daß sie sich nicht wehrt! – Das Salz mein ich doch, Dumme! Zeig’s ihr, sie glaubt’s schon. – Ja, meine Gute, mein Lamm! Kriegst du gleich, sei nur jetzt erst artig!«
    Das Mädchen stöhnte. »O bitte, bitte! Quält mich nicht so! Gebt mir Koks!« flehte sie.
    »Nur noch einen Augenblick! Jetzt die andere Decke – nein, entgegengesetzt umgerollt. Dreht sie ruhig um wie ein Paket. Davon geht sie noch lange nicht kaputt. Du da, Dicke auf dem Schemel, nimm den Finger aus der Nase, tu auch was! Hol die beiden Laken aus den oberen Betten – ja doch, meine Gute, gleich ist es soweit! Siehst du nicht, was für ’ne Menge Koks das ist?! Gleich kriegst du deine Prise!«
    Nach der Weisung des Wärters wurden die Laken wie Stricke fest um das Paket geschnürt. Willig ließ es sich das Mädchen gefallen. Es wandte den Blick nicht von der Hand, die die Erlösung, das Kokain, das Salz hielt. »Oh, gebt mir doch!« murmelte sie. »Wie könnt ihr so hart sein?! Es ist so schön … Ich halte es nicht mehr aus …«
    »So«, sagte der Wärter nach einem prüfenden Blick. »Das wird halten. Na, eigentlich ist es ja überflüssig, sie wird’s doch gleich merken, aber gib ihr immerhin das Salz …«
    »Ja, Koks. Bitte, bitte, Koks!« bettelte die Gefesselte.
    Zögernd, widerwillig hielt Petra ihr das Salz auf der Handfläche unter die Nase. Und sah, seltsam angefaßt, die Verwandlung in dem Gesicht der Gequälten.
    »Näher!« flüsterte die mit unwilligem, ernstem Blick. »Halte es doch unter die Nase!« Sie zog es tief ein. »Oh, das tut gut!«
    Ihr scharfes, zerrissenes Gesicht glättete sich, die Lider sanken in der Entspannung fast ganz über die Augen. Wounter den Wangenknochen nur schwarze Höhlungen gewesen waren, wölbte sich wieder sanftes Fleisch. Die scharfen Falten um den Mund verschwanden, die rissigen, spröden Lippen wölbten sich, sachte ging der Atem …
    »Oh, selig –!«
    Es ist ja nur Salz! dachte Petra erschüttert. Gemeines Kochsalz – aber sie glaubt daran, und so macht es sie wieder jung! Und in plötzlicher Gedankenverbindung mußte sie an Wolfgang denken, an Wolfgang Pagel, den sie den ganzen Abend, sie wußte es wohl, doch immer erwartet hatte, von Minute zu Minute – wie sahen ihn die andern –? Es ist ja nur Salz!
    »Da – jetzt kommt’s«, sagte der Wärter halblaut.
    Das Gesicht, nahe unter dem Gesicht der knienden Petra, hatte sich erschreckend gewandelt. Der Mund war eine schwarze, tiefe Höhle, die Augen weit aufgerissen, in Schreck, in Zorn.
    »Ihr Hunde! Ihr Schweine!« schrie sie. »Das ist kein Koks! Ihr habt mich betrogen! Oh – oh – oh!!«
    Ihr ganzer Körper bäumte sich auf, ihr Kopf fuhr hoch. Dunkelrot, blaurot wurde ihr Gesicht unter der Anstrengung, sich frei zu machen.
    »Laßt mich los!« schrie sie. »Ich will es euch zeigen!«
    Petra war zurückgesprungen. Solcher Haß, solche Verzweiflung schlugen ihr aus dem eben noch ganz erlösten Gesicht entgegen.
    »Keine Bange,

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