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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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matt und dunkel wurde, das elektrische Licht über der Tür aufflammte, war es immer stärker, als wisse das Mädchen nicht mehr recht, wo es war, was um es war. Wahrscheinlich glaubte sie in der Hölle zu sein. Wie ein Tier rannte sie auf und ab, immer von einer Wand zur andern, blind für die Gefährtinnen. Dabei murmelte sie ununterbrochen halblaut vor sich hin. Plötzlich dann blieb sie stehen und schrie mit hoher, gellender Stimme, wie aus wilden Schmerzen heraus.
    Wieder klopften die Wärter, wieder gab ihr Anruf der Gequälten Anlaß zu neuem, herzzerreißendem Betteln, dann wilden Beschimpfungen. Dieses Mal fiel sie hin an der Tür; das Haupt gegen das Eisen der Tür gelehnt, hockte die jämmerlich zerraufte Hühnerweihe da, als lausche sie auf etwas. Sie fing an zu murmeln: »Es läuft«, murmelte sie. »Es krabbelt in meinem Bauch. Oh, so viele Beine! Sie wollen heraus, mein ganzer Leib ist voll von ihnen, und nun wollen sie heraus!«
    Mit zitternden Fingern riß sie an ihren Kleidern herum, versuchte, sich den Leib frei zu machen. »Ameisen!« klagte sie. »Rote, durchsichtige Ameisen! Sie laufen in mir. – Oh, gebt Ruhe!« bat sie. »Ich habe ja nichts. Ich kann euch kein Koks geben!«
    Sie sprang auf. »Gebt mir Koks!« schrie sie. »Du sollst mir Koks geben, hörst du! Du hast Koks!«
    Mit einem schwachen Schrei war die grauhaarige Frau hintenübergesunken; ohne einen Versuch der Gegenwehr lag sie unter der Tobenden, leise wimmernd.
    Die Zigeunerinnen auf ihrer Matratze unterbrachen das unverständliche Gewisper und sahen grinsend den Überfall an. Die Schultern des langen Mädchens im Bett hörten zu zucken auf. Langsam wandte sie den Kopf und sah mit ihren angstvollen Augen und der großen, bleichen Nase nach dem Bett gegenüber, jederzeit bereit, sich völlig unter die Bettdeckezu verkriechen. Die dicke Mißmutige auf dem Schemel schalt unmutig: »Ach, gebt doch Ruhe! Wie kann eines nachdenken, wenn ihr soviel Krach macht?!«
    Petra war zugesprungen. Leicht war es, das schmächtige, verwüstete Geschöpf rückwärts zu ziehen, von der unter ihr Liegenden fort; unmöglich aber, die klammernde Hand aus den Haaren der Überfallenen zu lösen.
    »Wollt ihr Ruhe geben, ihr Weiber!« schimpften die Wärter durch die Tür. »Hat sich bei den Haaren, das Gesindel! Wartet nur, gleich gibt es Kloppe!«
    Petra wandte sich um, zur Tür rief sie zornig: »Kommen Sie doch rein! Das Mädchen hat einen Anfall! Helfen Sie uns doch!«
    Einen Augenblick war Stille hinter der Tür. Dann sagte eine höfliche Stimme: »Wir dürfen doch nicht, Fräulein. Nach Einschluß dürfen wir in keine Frauenzelle. Sonst heißt es gleich, wir haben was mit euch.«
    Und eine andere Stimme: »Wer weiß, ob das nicht bloß ein Trick von euch ist?! Auf so was fallen wir lieber nicht rein.«
    Und Petra: »Aber das geht doch nicht so! Sie ist doch schon halb wahnsinnig. Es muß doch eine Wärterin hier im Hause sein. Oder ein Arzt. Bitte, schicken Sie doch einen Arzt.«
    »Alle schon weg!« sagte die höfliche Stimme. »Die hätte das bei der Einlieferung sagen müssen. Dann wäre sie auf die Krankenabteilung gekommen. Ihr fünfe werdet mit der einen schon fertig werden.«
    Es sah nicht so aus. Die Zigeunerinnen saßen lautlos, die Dicke hockte mißmutig auf ihrem Schemel, die längliche war unter ihre Decke gekrochen – und die alte Frau wimmerte weiter unter dem schmerzenden Klammern der Hühnerweihe.
    Eine Weile hatte die Hühnerweihe leise schluchzend neben der alten Frau im Bett gelegen, nun fing sie wieder an zu schreien. Dabei riß sie die Frau ohne Gedanken, aber wild an ihren dünnen Zotteln. Auch die Frau schrie jetzt.
    »Sie müssen helfen!« schrie Petra empört und trommelte mit den Füßen gegen die eisenbeschlagene Tür. Es dröhnte.»Oder ich mache solchen Krach, daß das ganze Gefängnis zu schreien anfängt!«
    Es war schon fast soweit. Aus vielen Zellen klangen wütende Rufe nach Ruhe. Eine hohe Frauenstimme fing an, die Internationale zu singen.
    Die Tür flog auf; uniformiert und bewaffnet, aber auf leisen Filzschuhen, den sachten Schlaf der Gefangenen nicht zu stören, standen zwei Wärter in der Tür.
    »Aber rein zu euch gehen wir nicht!« sagte ein großer Blauäugiger mit rotblondem Schnurrbart. »Wir sagen Ihnen, was Sie tun sollen. Sie sind ja ganz vernünftig, Fräulein. – Schnell, los, holen Sie eine Prise Salz aus dem Schränkchen.«
    Petra lief, der Wachtmeister befahl: »Du alte Vogelscheuche da auf der

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