Wolf unter Wölfen
wie Sie beide aussehen: mit einem Rittergut in der Tasche kommen Sie auch die Treppe nicht wieder runter …«
Er leuchtete geschickt auf dem Treppenabsatz die Brieftasche Prackwitzens an, der nach einem Trinkgeld suchte.
»Er traut uns wirklich zu, daß wir ohne einen Pfennig wieder rauskommen, Studmann«, sagte der Rittmeister ärgerlich. »So ein Unglücksrabe!«
»Ein bißchen Miesmachen hat noch immer beim Spiel geholfen«, meinte der Spanner. Und sanft zuredend: »Na, noch einen kleinen Schein, Herr Baron. Ich sehe, Sie kennen unsere Sätze noch nicht. Wo ich doch immer mit einem Bein gewissermaßen im Polizeigefängnis Alexanderplatz stehe!«
»Und ich?!« wollte der Rittmeister aufbrausen, sehr ärgerlich, daß er wieder an das Illegale dieses Unternehmens erinnert wurde.
»Sie?!« sagte der Spanner mitleidig. »Ihnen passiert doch nichts! Wer spielt, wird höchstens sein Geld los. Aber wer zum Spiel verführt, muß brummen. Ich verführe Sie doch, Herr Baron …«
Eine dunkle Gestalt kam die Treppe herunter.
»Psst, Emil! Das sind die beiden Herren zum Pari-Panther. Jeleite sie nach oben, ick jeh spannen. Ick habe heute so ’n dußlijet Jefühl im Magen, es könnte noch wat jeben!«
Die drei stiegen schon höher hinauf. In hohlem Flüstern rief der Spanner ihnen nach: »Du, Emil! Hör noch mal!«
»Ja, wat denn? Du sollst doch keinen Lärm machen!«
»Abkassiert ha’ ick se schon! Daß du mir nich zum zweiten Male melkst!«
»Ach, hau ab – spann lieber dufte!«
»Jemacht, Emil! Spanne ruhig weiter, wenn der Mast auch bricht.«
Er entschwand in die dunklen Regionen.
8
Wolfgang Pagel saß schon im Spielzimmer.
Auf eine rätselhafte Weise war die Kunde von der großen Summe Geldes, die der Pari-Panther gegen Spielmarken eingewechselt hatte, aus dem Vorplatz zu dem raubvogelhaftenCroupier und seinen beiden Assistenten gedrungen und hatte ihm einen Sitzplatz nahe dem Kopfende des Tisches verschafft. Dabei hatte Pagel nur ein Viertel seines Geldes bei dem traurigen Wachtmeister eingewechselt. Den Rest der Scheine hatte er achtlos und hastig in die Taschen zurückgestopft und war eingetreten, mit der Hand zwischen den beinernen, kühlen Jetons in der Rocktasche wühlend. Leise, mit einem angenehm trockenen Laut klapperten die Spielmarken.
Dies Geräusch rief sogleich die Vorstellung des Spieltisches herauf: das etwas nachlässig gespannte grüne Tuch mit den flach aufgestickten, gelben Zahlen unter dem elektrischen Licht, das über dem Spieltisch trotz aller Geräusche umher stets besonders still und weiß wirkte – und nun das Schnurren und Klappern der Kugel, während das Rad leise schwirrte.
Mit einem tiefen, wie erlösten Atemzug sog Wolfgang die Luft ein.
Das Spielzimmer war schon sehr gefüllt. Hinter den auf Stühlen Sitzenden standen trotz der zeitigen Stunde schon wieder zwei dichte Reihen Spieler. Wolfgang hatte nur eine undeutliche Vorstellung von all diesen weißen, gespannten Gesichtern.
Ein Helfer des Croupiers führte ihn – eine noch nie genossene Gunst – zu dem für ihn frei gemachten Stuhl.
Als Pagel an einer Frau vorüberging, roch er plötzlich fast überwältigend stark ihr Parfüm, ein Duft, der ihm seltsam bekannt vorkam. Er hätte jetzt gerne an das Spiel gedacht, aber zu seinem Ärger entdeckte er, daß er recht zerstreut war. Sein Hirn wollte durchaus den Namen des Parfüms finden. Eine Menge Wörter wie Houbigant, Mille fleurs, Patschuli, Ambra, Mystikum, Juchten schossen ihm durch den Kopf. Erst als er sich hinsetzte, fiel ihm ein, daß er den Namen dieses Parfüms wahrscheinlich gar nicht wußte, daß es ihm nur darum bekannt vorgekommen war, weil es das Parfüm seiner Feindin, des Valutenvamps, war. Er glaubte sich zu erinnern, daß diese Frau ihm zugelächelt hatte.
Pagel saß nun. Aber noch verbot er sich jeden Blick auf seine Umgebung und die Spielfläche. Langsam und sorgfältig legte er ein Päckchen Lucky Strike, die er bei Lutter und Wegner erstanden, eine Schachtel Streichhölzer und einen silbernen Zigarettenhalter vor sich hin, eine Art kleiner Gabel, die man sich mit einem Ring über den kleinen Finger streifte und die das Gelbwerden der Finger verhindern sollte. Dann zählte er dreißig Spielmarken ab und legte sie in Fünferhaufen vor sich. Er hatte noch eine ganze Menge weiterer Spielmarken in der Tasche. Immer noch ohne hochzusehen, spielte er mit ihnen, freute sich an dem trockenen Klappern wie an einer schönen Musik, die ganz ohne
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