Wolf unter Wölfen
mit dem Spielen, er fühlte es, er würde es nie mehr wollen. So konnte er also morgen früh geruhig mit dem Rittmeister aufs Land fahren, als eine Art Sklavenvogt vermutlich – er versäumte nichts hier in Berlin. Keine Chance! Man konnte eines tun, man konnte auch etwas anderes tun: alles war gleich sinnlos. Es war nachdenksam zu beobachten, wie einem das Leben unter der Hand zerfloß, gleichsam sich selbst sinnlos machte und entleerte (wie auch das immer eiliger strömende, fließende Geld sich sinnlos machte und leer wurde): an einem kurzen Tage waren Mutter und Peter, nein, Petra!, verloren, und nun auch noch das Spiel … Reichlich inhaltslos geworden, diese Angelegenheit … Wahrhaftig, ebensogut konnte man von einerBrücke unter den nächsten Stadtbahnzug springen – es war genauso sinnvoll und sinnlos wie alles andere –!
Gähnend brannte er sich eine neue Zigarette an.
Der Valutenvamp schien nur darauf gewartet zu haben. Die Frau trat an ihn heran. »Schenken Sie mir auch eine –?«
Wortlos hielt ihr Pagel das Päckchen hin.
»Englische –? Nein. Die vertrage ich nicht, die sind mir zu schwer! Haben Sie keine andern –?«
Pagel schüttelte den Kopf, schwach lächelnd.
»Daß Sie die rauchen mögen! Da ist doch Opium drin!«
»Opium ist auch nicht schlechter als Koks«, sagte Pagel herausfordernd und betrachtete ihre Nase. Sie konnte heute noch nicht viel geschnupft haben, die Nase war nicht weiß. Freilich mußte man an den Puder denken, natürlich war die Nase gepudert … Er sah sie mit einer ruhigen, sachlichen Neugier an.
»Koks! – Denken Sie etwa, ich kokse?«
Etwas von der alten Feindschaft machte ihre Stimme scharf, obwohl sie sich jetzt alle Mühe gab, ihm zu gefallen. Und sie sah wirklich gut aus. Sie war groß und schlank, die Brust in dem weit ausgeschnittenen Kleid schien klein und fest. Nur, daß diese Frau böse war, durfte man nicht vergessen, böse: geizig, gierig, streitsüchtig, verkokst, kalt. Urböse – Peter war nicht böse gewesen, oder doch, Petra war doch böse gewesen. Aber man hatte es nicht so gemerkt, sie hatte es lange verstecken können, bis er ihr draufgekommen war. Nein, auch Petra war erledigt.
»Also, Sie koksen nicht? Ich dachte!« sagte er gleichgültig zu dem Valutenvamp und sah sich nach Studmann um. Er wäre gerne gegangen. Diese wohlgebaute Kuh langweilte ihn zu Tode.
»Nur mal dann und wann«, gab sie zu. »Wenn ich abgespannt bin. Das ist auch nichts anderes, als wenn man eine Pyramidon nimmt, finden Sie nicht auch? Mit Pyramidon kann man sich auch ruinieren. Ich hatte mal eine Freundin, die nahm zwanzig Pyramidon den Tag. Und die ist …«
»Geschenkt, mein Schatz!« sagte Pagel. »Interessiert mich nicht. Willst du nicht ein bißchen spielen gehen?«
Aber so leicht war sie nicht loszuwerden. Sie war auch nicht die Spur beleidigt; sie war immer nur dann beleidigt, wenn sie gar nicht gemeint war.
»Sie sind schon mit dem Spiel fertig?« fragte sie. »Jawohl«, sagte er. »Keine Valuten mehr zu holen. Völlig pleite!«
»Kleiner Schäker!« lachte sie albern.
Er sah ihr an, sie glaubte ihm nicht. Sie hatte etwas über den Inhalt seiner Taschen gehört, nie würde sie sonst so viel Zeit und Liebenswürdigkeit an einen schäbigen Kerl im Waffenrock verschwenden, da doch für sie nur Kavaliere im Frack in Frage kamen –!
»Tun Sie mir einen Gefallen!« rief sie plötzlich. »Setzen Sie einmal für mich!«
»Wozu soll das denn gut sein?« fragte er ärgerlich. Dieser Studmann blieb endlos, und er wurde die Gans nicht los! »Ich denke, Sie wissen mit dem Spiel auch ohne mich Bescheid!«
»Sicher bringen Sie mir Glück!«
»Möglich. Aber ich spiele nicht mehr.«
»Och, ich bitte Sie – seien Sie einmal nett zu mir!«
»Sie hören doch, ich spiele nicht mehr.«
»Wirklich nicht –?«
»Nein!«
Sie lachte.
Und Pagel ärgerlich: »Was lachen Sie so dumm?! Ich spiele nicht mehr!«
»Sie – und nicht spielen! Ich glaube, eher …«
Sie brach ab, gab ihrer Stimme einen sanften, überredenden Ton: »Komm, Liebling, setze einmal für mich – ich will dann auch sehr nett zu dir sein …«
»Danke bestens für deine Nettigkeit!« sagte Pagel grob. Und ausbrechend: »Gott, kann ich Sie denn überhaupt nicht loswerden?! Gehen Sie weg, sage ich Ihnen, ich spiele nicht mehr, und Sie kann ich schon überhaupt nicht ausstehen! – Ekelhaft sind Sie mir!« schrie er.
Sie sah ihn aufmerksam an. »Jetzt siehst du reizend aus, Kerlchen. Ich hab nie
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