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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Widerstand in ihn einging. Dann plötzlich – der Entschluß war so überraschend in ihm entstanden, wie der erste Blitz aus einem Gewitterhimmel fährt –, dann plötzlich setzte er eine ganze Handvoll Spielmarken, soviel er eben fassen konnte, auf die Zahl 22.
    Ein rascher, dunkler Blick des Croupiers traf ihn, die Kugel schepperte, schepperte endlos – und die scharfe Stimme erklang: »Einundzwanzig – Ungleich – Rot …«
    Vielleicht irre ich mich, dachte Pagel, seltsam befreit. Vielleicht ist Petra erst einundzwanzig.
    Plötzlich war er guten Mutes, seine Zerstreutheit war verschwunden. Ohne Bedauern sah er, wie die Harke des Croupiers seinen Einsatz heranharkte, er verschwand – und dunkel war ihm, als habe er sich mit diesen auf die Lebensjahre Petras geopferten Jetons von ihr freigekauft, könne nun – ohne alle Rücksicht auf sie – spielen, wie er wollte. Schwach lächelte er dem Croupier zu, der ihn aufmerksam ansah. Der Croupier erwiderte dieses Lächeln, fast unmerklich, kaum daß sich die Lippen unter dem gesträubten Bart verzogen.
    Pagel sah um sich.
    Ihm direkt gegenüber, an der andern Seite des Tisches, saß ein älterer Herr. Das Gesicht war so scharf geschnitten, daß die Nase im Profil wie das Blatt eines Messers wirkte, ihr Ende war wie eine drohende Spitze. Das unbewegte Gesichtwar erschreckend bleich, in dem einen Auge saß ein Monokel, über das andere hing schlaff das wohl gelähmte Lid. Der Herr hatte ganze Stöße von Jetons vor sich liegen, aber auch Banknotenpäckchen.
    Der Croupier rief, und die langen, dünnen, sehr gepflegten Hände des Herrn griffen mit den aufgebogenen Spitzen hastig nach Spielmarken und Geld. Sie verteilten die Sätze über eine ganze Anzahl von Nummern. Pagel folgte mit dem Blick diesen Händen. Dann sah er rasch und verächtlich fort: dieser blasse Herr mit dem beherrschten Gesicht hatte vollständig den Kopf verloren! Er spielte gegen sich selbst, setzte gleichzeitig auf Null und Zahlen, Gleich und Ungleich.
    »Elf – Ungleich, Rot, erstes Dutzend …«, rief der Croupier.
    Wiederum Rot!
    Pagel war überzeugt, daß jetzt Schwarz kommen würde; mit einem raschen Entschluß setzte er seine sämtlichen dreißig Spielmarken auf Schwarz und wartete.
    Es dauerte endlos lange. Irgend jemand nahm im letzten Augenblick seinen Einsatz zurück und setzte dann doch wieder. Eine tiefe, tödliche Unlust ergriff Wolf. Es ging alles zu langsam, dieses ganze Spiel, das sein Leben seit einem Jahr ausgefüllt hatte, schien ihm plötzlich idiotisch. Da saßen sie herum wie die Kinder und lauerten atemlos darauf, daß eine Kugel in ein Loch fiel. – Natürlich fiel sie in ein Loch! In eines oder das andere, es war doch gleich! Da lief sie und schnurrte, ach, wenn sie doch aufhörte zu laufen, wenn sie erst gefallen wäre, daß es vorbei sei! Das Monokel gegenüber erglänzte tückisch und böse, das grüne Tuch hatte etwas Saugendes – daß er doch sein Geld erst los wäre –! Welche Albernheit, nach diesem Spiel gehungert zu haben –!
    Pagel war sein Geld los. Unter der Harke des Croupiers entflohen die dreißig Jetons, »Siebzehn« war ausgerufen worden. Siebzehn, auch eine ganz schöne Zahl! Siebzehn-und-vier war immer noch besser als dieses alberne Spiel. FürSiebzehn-und-vier brauchte man ein wenig Verstand. Hier hatte man nur zu sitzen und sein Urteil zu erwarten. Das Dümmste von der Welt – etwas für Sklaven!
    Mit einem Ruck stand Pagel auf, schob sich durch die hinter ihm Stehenden und brannte eine Zigarette an. Oberleutnant von Studmann, der unbeteiligt an einer Wand gestanden hatte, fragte mit einem raschen Blick auf sein Gesicht: »Nun? Schon fertig?«
    »Ja«, sagte Pagel mißmutig.
    »Und wie ist es gegangen?«
    »Mäßig.« Er rauchte gierig, dann fragte er: »Gehen wir?«
    »Gern! Ich will von diesem Betrieb nichts sehen und hören! – Ich werde gleich Herrn von Prackwitz loseisen! Er wollte spaßeshalber einen Augenblick zusehen …«
    »Spaßeshalber! – Also ich warte hier.«
    Studmann schob sich zwischen die Spieler. Pagel nahm seinen Platz an der Wand ein. Er war schlaff und müde. So also sah der Abend aus, den er immer erhofft hatte, der Abend mit dem großen Spielkapital, an dem er würde setzen können, wie er wollte. Die Dinge kamen nie zusammen! Heute, da er hätte spielen können, solange er wollte, heute hatte er keine Lust zum Spielen! Dann fehlt uns der Becher, dann fehlt uns der Wein, klang es in ihm.
    Es war also endgültig vorbei

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