Wolf unter Wölfen
ihm die Angst vor jedem Verlust anzumerken, den er doch mit jedem neuen Einsatz wieder neu herausforderte.
Auch störte den Rittmeister die große Anzahl von Frauen, die sich um den Spieltisch drängten – Frauen hatten seiner Ansicht nach beim Jeu nichts zu suchen. Jeu war eine reine Männersache, nur ein Mann brachte Kaltblütigkeit und Verstand genug auf, um mit Erfolg zu jeuen. Auch waren sie zwar sehr elegant, aber für seinen Geschmack doch etwas zu extravagant an- oder vielmehr ausgezogen. Diese Manier, ein Paar junge Brüste gewissermaßen in einem weitgeöffneten Seidenetui jedem Beschauer zur Musterung vorzulegen, ließ an die ihm so verhaßten Straßenmädchen denken. Sicher hatten solche Frauenzimmer hier keinen Zutritt, aber schon an sie erinnert zu werden war peinlich!
Es gab auch Angenehmes zu sehen, zum Beispiel einen älteren, weißhäutigen Herrn mit merkwürdig scharfer, spitzer Nase und Monokel – wo dieser Herr spielte, wo dieser Herr Platz nahm, wo dieser Herr zu Gaste war, da konnte sich auch ein Rittmeister von Prackwitz setzen.
Es war bezeichnend, daß der Rittmeister den direkt daneben sitzenden Fahnenjunker Pagel überhaupt nicht sah, sein sonst so scharfes Auge bemerkte schäbig gekleidete Gestalten nur schwer!
Was nun das Roulett anging – und der Rittmeister nahm höflich dankend auf einem ihm scheinbar bereitwillig, allerdings nur auf höheren Wink geräumten Stuhl Platz –, was nun das Roulett anging, so war es schwierig, sich damit zurechtzufinden. Es gab da eine überraschende Anzahl von Möglichkeiten – zudem wurde mit einer gradezu unziemlichen Hast gespielt. Der Rittmeister war sich kaum klargeworden, wie die Einsätze verteilt waren, so surrte schon die Scheibe, die Kugel lief, der Croupier rief, hier regnete es Jetons, dort brach Dürre aus, vorbei, weiter, setzen, drehen, laufen, surren, rufen – verwirrend!
Des Rittmeisters eigene Erfahrungen mit dem Roulett lagen weit in seine Leutnantsjahre zurück. Sie waren auch damals spärlich genug gewesen, mehr als drei- oder viermal war das Spiel nicht gespielt worden. Das kam daher, daß es besonders streng verboten war, noch strenger als alle anderen Glücksspiele, es wurde für besonders gefährlich angesehen. Eigentlich hatten die jungen Offiziere damals nur ein Glücksspiel gekannt, das »Gottes Segen bei Cohn« hieß und das für verhältnismäßig ungefährlich gehalten wurde. Immerhin war es dem Rittmeister, damals noch unverheiratetem jungem Leutnant, doch so gefährlich geworden, daß er nach einer turbulenten Nacht Hals über Kopf zu seinem Vater hatte reisen müssen, einem womöglich noch hitzigeren Herrn im Generalsrang. Dort hatte er innerhalb einer halben Stunde Wutausbruch, Enterbung und Verstoßung erfahren, schließlich aber hatten die beiden – nach reichlichen Tränenergüssen – bei einem schwärzlichen Herrn eine ganze Reihe von Wechseln unterschrieben, für die sie so viel Geld erhielten, daß die Spielschuld mit Ach und Krach abzudecken war. Seit dieser Zeit hatte der Rittmeister nicht wieder gespielt.
So saß er denn jetzt verwirrt vor dem grünen Tuch, sah die Zahlen an, sah die Inschriften an, rasselte leise mit den Spielmarken in seiner Tasche – und wußte nicht, was er anfangen sollte, so gerne er angefangen hätte.
Als ihn aber von Studmann fragte: »Nanu, Prackwitz, willst du wirklich spielen?« – antwortete er ärgerlich: »Du etwa nicht? Wozu haben wir denn Spielmarken eingewechselt –?!«
Und er setzte auf Rot.
Natürlich kam Rot. Ehe er sich noch recht besonnen hatte, fiel trocken prasselnd ein Häuflein Marken auf die seinen. Der unsympathisch wie ein gesträubter Geier aussehende Kerl rief etwas, wieder drehte sich das Spielrad. Der Rittmeister war unentschlossen, was er nun setzen sollte – da war schon wieder die Entscheidung gefallen.
Wiederum war Rot gekommen, jetzt besaß er schon einen ganzen Berg von Spielmarken.
Er zog sie zurück, sah sich, wie erwachend, um: der beste Mann am Spieltisch war noch immer der Herr mit dem Monokel. Er sah den langen, dünnen, ein wenig aufwärts gekrümmten Fingern zu, die mit unglaublicher Schnelligkeit Markenhäufchen auf die verschiedenen Zahlen und auf die Schnittpunkte von Zahlenfeldern verteilten, und ohne lange zu überlegen, machte er es diesem Herrn nach. Setzte auch auf Zahlen, auf Schnittpunkte von Zahlenfeldern, wobei er aber aus einem Gefühl von Ritterlichkeit (um den andern nicht zu stören) die von jenem besetzten
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