Wolf unter Wölfen
Felder mied.
Wieder rief der Croupier etwas aus, wieder begaben sich Marken zu den von ihm gesetzten, während andere Häufchen unter der Harke verschwanden und mit leisem Klappern in einen Beutel am Tischende fielen.
Von nun an war der Rittmeister wie verzaubert. Das Rollen der Kugel, die Ausrufe des Croupiers, das grüne Tuch mit den Zahlen, Inschriften, Quadraten und Rechtecken, auf denen sich immer neu die vielfarbigen Jetons ordneten – all dies hielt ihn gänzlich gefangen. Er vergaß sich selbst, vergaß die Zeit und den Raum, in dem er saß. Er dachte nicht mehr an Studmann und an den fragwürdigen Fahnenjunker Pagel. Es gab kein Neulohe mehr. Hurtig mußte er sein, das Auge, schneller noch als die Hand, mußte freie Felder ausspähen,auf die Spielmarken zu werfen waren; eilig mußten die Gewinne herangeholt werden, mußte entschieden werden, was stehenzubleiben hatte.
Einen Augenblick entstand eine unliebsame Pause dadurch, daß der Rittmeister, wie er zu seiner Überraschung merkte, gänzlich ohne Spielmarken war. Ärgerlich fingerte er in seiner Jackettasche herum, ärgerlich deswegen, weil er nun ein Spiel auslassen mußte. Daß er keine Marken mehr hatte, rief aber in ihm nicht etwa den Gedanken an einen erlittenen Verlust herauf, nur die Verzögerung störte ihn. Gottlob erwies sich, daß er beobachtet worden war; ein Adlatus des Croupiers hielt schon weitere Jetons für ihn bereit. Und mit völliger Geistesabwesenheit, die überhaupt nicht den Gedanken aufkommen ließ, daß er hier Geld, und zwar fast alles Geld, das er bei sich trug, hergab, zog er die Scheine aus der Tasche und tauschte dafür beinerne Spielmarken ein.
Kurz nach dieser ungewollten, ärgerlichen Spielpause, grade als der Rittmeister im schönsten Setzen war, fand sich plötzlich von Studmann ein und flüsterte über die Schulter des Spielenden, daß Pagel jetzt gottlob genug habe und gehen wolle.
Recht gereizt fragte der Rittmeister zurück, was in aller Welt der junge Pagel ihn anginge? Er säße ausgezeichnet hier und habe nicht im geringsten die Absicht, schon nach Hause zu gehen.
Ganz erstaunt fragte von Studmann wiederum zurück, ob der Rittmeister denn wirklich spielen wolle –?
Von Prackwitz war – fast bestimmt – der Ansicht, daß jenes Häufchen Marken auf dem Schnittpunkt der Zahlen 13, 14, 16 und 17, das eben gewonnen hatte, von ihm gesetzt worden sei – eine mit einem Perlenring geschmückte Frauenhand hatte danach gelangt und das Häufchen fortgenommen. Von Prackwitz begegnete dem Blick des Croupiers, der ihn ruhig beobachtend ansah. Sehr gereizt bat er von Studmann, er möge nun endlich gehen und ihn in Frieden lassen!
Studmann antwortete nicht, und der Rittmeister spielteweiter. Aber es war nicht möglich, sich auf das Spiel zu konzentrieren, er fühlte, ohne es zu sehen, daß Studmann in seinem Rücken stand und sein Setzen beobachtete.
Er drehte sich mit einem Ruck um und sagte scharf: »Herr Oberleutnant, Sie sind nicht mein Kindermädchen!«
Dieses Wort, das einen alten Gegensatz aus den Kriegszeiten wieder aufriß, tat seine Wirkung: Studmann machte eine ganz leichte, entschuldigende Verbeugung und zog sich zurück.
Als der Rittmeister aufatmend auf das grüne Tuch zurückblickte, sah er, daß mittlerweile auch die letzte seiner Spielmarken verschwunden war. Er warf einen ärgerlichen Blick auf den Croupier, es kam ihm vor, als verkrieche sich ein Lächeln in dem gesträubten Schnurrbart. Von Prackwitz öffnete das mit einem doppelten Verschluß gesicherte Innenfach seiner Brieftasche und entnahm ihm siebzig Dollar – alles, was er noch an Devisen besaß. Der Gehilfe des Croupiers stapelte mit ungeheurer Geschwindigkeit Haufen und Haufen von Marken vor ihm auf. Der Rittmeister strich sie eilig, ohne sich mit Zählen aufzuhalten, in die Tasche. Einen Augenblick hatte er, als er merkte, viele Gesichter sahen ihn prüfend an, das vage Gefühl: Was tue ich da –?!
Aber es waren mehr die Worte, die in ihm klangen, als ihr Sinn. So viele Marken gaben ihm Sicherheit, Vergnügen erfüllte ihn. Er dachte freundlich: Dieser törichte, ewig besorgte Studmann –!, rückte fast lächelnd auf seinem Stuhle zurecht und fing wieder an zu setzen.
Doch diese gute Stimmung hielt nicht lange an. Immer gereizter sah er Einsatz auf Einsatz unter der Harke des Croupiers entschwinden, fast gar nicht mehr hörte er das trockene Niederprasseln der gewonnenen Marken auf die von ihm besetzten Felder. Immer häufiger
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