Wolf unter Wölfen
Gott nicht viel Staat zu machen – ein Mädchen muß sie nehmen, wie sie eben sind!
Sie huscht rasch in sein Zimmer hinüber, kniet nieder neben seinem Bett und schüttelt den Schläfer kräftig. Aber so leicht ist der aus seiner Trunkenheit nicht wachzuschütteln. Amanda muß zu kräftigen Mitteln greifen, und als auch der nasse Waschlappen nichts verschlagen will, reißt sie ihn einfach kurz entschlossen mit der einen Hand bei den Haaren, während sie ihm die andere vorsichtig über den Mund legt, damit er nicht laut werden kann.
Diese Kur hilft wirklich – der kleine Feldinspektor Meierwird wach von dem wütenden Schmerz, denn sie reißt und zerrt mit allen ihren nicht geringen Kräften an seinem Haar. Wie der Mensch nun einmal ist und wie besonders der Negermeier ist, setzt er sich erst einmal instinktiv zur Wehr: Negermeier beißt in die Hand, die über seinem Munde liegt.
Sie unterdrückt ihren Schrei und flüstert hastig in sein Ohr: »Werd wach! Werd wach, Hänseken! Ich bin’s, Amanda!«
»Das merk ich«, grunzt er wütend. »Wenn du wüßtest, wie dicke ich euch Weiber habe! Nie könnt ihr einen in Frieden lassen –!«
Er möchte weiterschimpfen, verschwiemelt, mit aufgeschwollenem Kopf und dem wüstesten Haarweh … Aber sie hat Angst vor der Lauscherin draußen, und ihre Hand legt sich von neuem fest über seinen Mund. Gleich beißt er wieder –!
Doch nun ist es mit ihrer Geduld vorbei. Sie reißt die Hand aus seinen Zähnen und schlägt zu, blindlings, im Dunkeln, wie es trifft. Ihr Gefühl aber leitet sie richtig, sie trifft ausgezeichnet, hageldicht fallen die Schläge auf ihn, rechts, links – da, dies muß die Nase gewesen sein! Und jetzt der Mund …
Und dabei stöhnt sie halblaut, atemlos, hingerissen von diesem Schlagen im Dunkeln auf etwas Weiches, Stöhnendes: »Willst du vernünftig sein! Willst du kuschen! Sie schlagen dich sonst tot!«
(Sie ist selbst auf dem besten Wege, dies zu besorgen.)
Atemlos, fast völlig ernüchtert, feige, ohne Gegenwehr – jetzt bettelt der kleine Meier: »Aber ja doch, Mandeken! Mein Mandchen! Ich will ja auch alles tun, was du möchtest. Aber laß jetzt – ach, nein, nimm dich doch ein bißchen in acht …!«
Keuchend, mit fliegender Brust, hört sie auf. »Ob du parieren wirst, du Dummkopf?!« stöhnt sie mit zorniger Zärtlichkeit. »Der Leutnant war hier –!!!«
»Wo – hier?« fragt er blöde.
»Hier, in deiner Stube! Er hat was gesucht – er hat einen Brief aus deiner Jacke genommen.«
»Einen Brief …« Er versteht noch immer nicht ganz. Aber dann kommt langsam, noch nicht völlig klar, die Erinnerung. »Ach, den –!« sagt er verächtlich. »Den soll er ruhig behalten, den Lappen!«
»Aber, Hänseken, sei doch vernünftig! Denk einmal nach!« bittet sie. »Du mußt irgend etwas ausgefressen haben – er hat so eine Wut auf dich! Er will noch wiederkommen – heute nacht.«
»Er soll nur wiederkommen!« prahlt er, trotzdem ihn ein ungemütliches Gefühl beschleicht. »Den Affen habe ich ja schon in der Tasche, ihn und sein feines Fräulein von Prackwitz …«
»Aber, Hänseken, die war doch auch hier! Sie hat doch mit nach dem Brief gesucht …«
»Die Weio –?! Das gnädige Fräulein – Fräulein Tochter vom Herrn Brötchengeber –?! In meinem Zimmer?!! Wo ich besoffen und nackt im Bett gelegen habe – o wei, o wei! O Weio!«
»Ja – und jetzt steht sie vor deinem Fenster Wache, damit du nicht ausreißt!«
»Ich und ausreißen!« sagt er prahlerisch. Aber er dämpft unwillkürlich seine Stimme. »Das möchten sie wohl, daß ich wegliefe! Das würde den beiden so passen! Aber nee, ich bleibe, ich gehe morgen früh zum Rittmeister und reiß sie rein mit ihrem feinen Leutnant …«
»Hänseken, hör doch endlich auf mit deinem Stuß! Er will wiederkommen, heute nacht noch. Der wird dich schon morgen nicht zum Rittmeister gehen lassen …«
»Was soll er denn machen? Anbinden kann er mich doch nicht!«
»Nein, anbinden kann er dich nicht …«
»Und wenn ich dem Rittmeister von dem Brief erzähle!«
»Ach, laß doch endlich den dußligen Brief! Du hast ihn ja gar nicht mehr! Er hat ihn!«
»Aber der Kniebusch kann bezeugen …«
»Unsinn, Hänseken! Alles Unsinn! Was ist denn der FörsterKniebusch für ein Zeuge, wenn er gegen das gnädige Fräulein aussagen soll –?!«
Der kleine Meier schweigt einen Augenblick, er fängt wirklich an nachzudenken. Dann sagt er kleinlauter: »Aber er kann mir doch gar nichts wollen!
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