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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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liebsten wäre er umgekehrt. Eine Spielmarke war ihm auf die Erde gefallen, was von unheilvoller Bedeutung war, denn es besagte, daß dieser Raum sein Geld zu behalten wünschte. (Es gab viele Vorzeichen solcher Art – bis auf eines oder zwei alle von schlimmer Vorbedeutung.)
    Dann war er doch an den Tisch getreten, um zu spielen. Er konnte es immerhin – im Rahmen seiner Gewohnheiten – versuchen, da er nun einmal hier war. Wie alle Spieler war auch Wolfgang Pagel der unerschütterlichen Überzeugung, daß das, was er tat, gar kein richtiges Spiel war, daß es »nicht galt«. Er glaubte fest daran, daß irgendwann einmal, blitzartig, in einer Sekunde, ihn das Gefühl überkommen würde: Jetzt ist deine Stunde! In dieser Stunde würde er wirklich Spieler sein, der Liebling des blinden Glücks. Die Kugel im Rade würde schnurren, wie er setzte, das Geld würde herbeiströmen –: Alles, alles werde ich gewinnen! – Wenn er an diese Stunde dachte, manchmal, nicht sehr häufig, wie man den Genuß eines großen Glückes nicht wertlos machen will dadurch, daß man es zu oft vorkostet – wenn Wolfgang daran dachte, fühlte er, wie sein Mund trocken, die Haut über seinen Schläfen pergamenten wurde.
    Er meinte sich zu sehen, leicht vorgeneigt, mit glänzenden Augen – und zwischen die ein wenig auseinandergespreizten Hände glitt ihm das Papier, wie von einem Winde hineingeweht, all dies verschiedenartige Papier mit den ungeheuren Zahlen, Nullen über Nullen, ein betäubender, nie völlig zu verstehender Reichtum – astronomisch!
    Bis diese Stunde kam, war er ein kleiner Freitischgänger des Glücks, ein Hungerleider, der mit den mageren Gewinnchancen des Parispiels vorliebnehmen mußte. Gerne vorliebnahm, denn ihm winkte die Aussicht auf Großes!
    An diesem Abend war er für seine Verhältnisse nicht schlecht bei Kasse. Spielte er ein wenig vorsichtig, mußte sich ein ausreichender Gewinn nach Haus tragen lassen. Wolfgang Pagel hatte sein bestimmtes, auf Grund sorgfältiger Beobachtungen erdachtes System beim Spiel. Von den sechsunddreißigZahlen des Rouletts waren achtzehn rot, achtzehn schwarz. Zog man die siebenunddreißigste Chance, das Null, bei dem alle Einsätze der Bank verfielen, nicht in Betracht, so stand die Chance für Rot und für Schwarz gleich. In einem unendlich weitergespielten Roulett mußte nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung gleich oft Rot wie Schwarz kommen. Das tat es auch sicher. Aber wie sich im Laufe des Spieles Rot und Schwarz ablösten, darüber schien eine viel geheimnisvollere Regel zu walten, die man halb beobachten, halb im Gefühl haben mußte.
    Stand Wolfgang – wie stets, ehe er zum ersten Male setzte – beobachtend am Spieltisch, so sah er etwa, daß Rot kam, und noch einmal Rot, und wieder Rot. Ein viertes, fünftes, sechstes Mal Rot, es konnte bis zum zehnten Male gehen, bis zum fünfzehnten Male, ja, in ganz seltenen Fällen noch höher: Rot, immer Rot. Es war gegen jeden Sinn und Verstand, es widersprach aller Wahrscheinlichkeitsrechnung, es war die Verzweiflung aller »Spieler mit System«.
    Dann kam auf einmal Schwarz, nach sechs-, achtmal Rot kam Schwarz! Kam zwei-, dreimal; nun kam wieder Rot, und nun ging es mit einem ermüdenden, immerwährenden Wechsel hin und her: Rot und Schwarz, Schwarz und Rot.
    Wolfgang aber wartete noch immer. Nichts war zu sagen, kein Einsatz mit einiger Aussicht auf Gewinn zu wagen.
    Aber plötzlich fühlte er, wie sich irgend etwas in ihm spannte. Er schaut auf das Fleckchen Spieltisch, das seinem Blicke frei ist. Ihm ist, als sei er eine Weile mit seinen Gedanken fortgewesen, ohne doch zu wissen, wo, als habe er das Spiel nicht verfolgt. Trotzdem weiß er, daß jetzt dreimal hintereinander Schwarz kam, er weiß, daß er nun setzen muß, daß jetzt eine Serie Schwarz begonnen hat – er setzt.
    Er setzt drei-, viermal. Öfter getraut er sich nicht. Ach, zwölf-, fünfzehnmal Rot sind eine Ausnahme, da liegen die großen Gewinnchancen: Stehenlassen den Einsatz und Gewinn – verdoppelt! Stehenlassen – verdoppelt … immer weiter, in märchenhafte Zahlen hinein. Aber sein Kapital ist zuklein, er kann keinen Fehlschlag riskieren, er muß mit der hausbackenen Sicherheit vorliebnehmen. Aber einmal – einmal bestimmt wird die Nacht kommen, und er wird setzen, weiter setzen, immer weiter … Er wird
wissen
, daß siebzehnmal Rot kommt, er wird es siebzehnmal setzen und keinmal mehr.
    Und dann wird er nie wieder spielen. Dann werden sie mit dem

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