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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Sonne fahl), da sie den Mann heimtragen, beschmutzt, die klugen Hände gekrümmt, das Kinn schlaff, an der Schläfe ein Blutgerinnsel. Oh, sie sind sehr achtsam mit ihr, die Herren Polizisten und die Herren Kriminalisten, es ist in einer Straße geschehen, deren Name ihr natürlich nichts sagt. Ein Unglücksfall – ja, ein Fall. Schweig!
    Fliehe dahin, Zeit, eile dich doch! Hier kommt der Sohn. Der Vater stieg auf als ein strahlendes Gestirn, leuchtete dann lange mild und erlosch jäh. Er ist erloschen, wir warten auf den Sohn!
    Ein kleines Licht in der Nacht, ein Nichts, wärmeloses Feuer. Aber wir sind nicht so allein.
    Die Frau im Fenster, die alte Frau, wendet sich um. Da ist das Bild. Jawohl, es ist alles richtig: Junge Frau am Fenster, wartend.
    Die alte Frau legt den Rest ihrer Zigarre in den Aschenbecher.
    Mir ist wirklich so, als könnte der dumme Junge heute kommen.
    Zeit wird’s!

7
    Die Thumannsche, Eheliebste des Maurers Wilhelm Thumann, schwammig, wabblig, in fließenden Gewändern, mit einem schwammig-wabbligen Gesicht, in dem doch ein Zugsäuerlicher Strenge vorherrscht – die Thumannsche schlurrt mit dem unvermeidlichen Pott über den Gang, zum Klo, abwärts, eine halbe Treppe tiefer, Klo von drei Parteien. Die Thumannsche, völlig bedenkenlos in der Beherbergung übelst beleumundeter Mädchen mit Anhang (zur Zeit bewohnt die rassige Ida vom Alex das Zimmer vis-à-vis von Pagels), ist voller sanitärer Bedenken, was das Klo anlangt:
    »Da hamm se ja nu diese Baktzillen entdeckt, Liebecken. Sie hätten es können ja ooch sein lassen, aber wo se’s nu mal jetan haben, und die feinsten Leute haben wir hier ooch nich, und manchmal, wenn ick uff den Klosett komme, ick denke doch, mir jeht die Puste wech, und wer weeß, wat da allens drin rumwirbelt, und eenmal war ooch een schwarzer Käfer da, und er sah mir soo jefährlich an … Nee, wie denn, wat denn, ick wer keene Wanzen kennen, keene Hausbienen! Mir dürfen Se doch so wat nich erzählen, Liebecken, wo ick und de Wanzen, wir sind doch zusammen jroß jeworden. Aber seitdem se die entdeckt haben, sare ick zu meinem Willem: Pott bleibt Pott, und: Gesundheit ist das halbe Leben! Willem, sare ick zu ihm, paß uff, wo de dir hinstellst. Die Biester springen dir an wie de Tiger, und eh de dir umsiehst, bringst de eene janze Mikrokosmetik int Haus! Aber wat soll ick Sie sagen, Liebecken, komisch is der Mensch ja doch injerichtet, seit ick mit dem Pott jehe, loof ick immerzu. Nich, daß ick mir beklage, nur: es ist wunderbar! Ick weeß, unser junger Herr, der de kleene, blasse Dunkle hat, sie is aber nich seine Frau, bloß, sie bildt sich ein, sie wird’s, und manchen schmeckt ja so ’ne Inbildung wie uns Kuchen von Hilbrichen, der nennt mich imma Pottmadamm. Nur, sie verbietet’s ihm, was ich wieder hochreell finde. Aber soll er’s ruhig saren, von meinswejen! Denn warum sagt er es? Weil er seinen Jokus haben will! Und warum will er seinen Jokus haben? Weil er jung is! Denn wenn man jung is, jloobt man jar nischt, nich an de Pfaffen, was ick ooch nich tue, un nich an de Baktzillen. Aber wie kommt es? Wie ick mit ’em Pott, so loofen die nachher uff de Beratungsstelle, aber mit wat, det sare ick nich, weilwir’s nämlich beede wissen, Liebecken, un manche nennen’s ja ooch bloß ’en Schnuppen. Und da sind se, so dumm se sind, plötzlich klug geworden, und wat den Schnuppen anjeht, so möchten se plötzlich niesen können und einen haben, der ihnen Jesundheit sagt. Aber die is perdü, und darum loofe ick lieba mit ’em Pott …«
    Also diese Sorte Thumannsche, wabblig-schwabbelig, aber von zuviel Magensäure im Gesicht gezeichnet, schlurrt mit ihrem Pott den Gang entlang.
    Die Tür zum Pagelschen Zimmer geht auf, und in ihr steht der junge Wolfgang Pagel, groß, mit breiten Schultern und schmalen Hüften, dem hellen, fröhlichen Gesicht, in seiner feldgrauen Litewka mit den schmalen, roten Streifen – es ist ein Stoff, der selbst jetzt, nach fünfjährigem Gebrauch, noch gut aussieht, sanftsilbrig glänzend wie manche Lindenblätter …
    »Guten Morgen, Frau Thumann«, sagt er ganz vergnügt. »Wie ist es denn mit einem kleinen Palaver wegen Kaffee?«
    »Sie! Sie!« sagt die Thumann entrüstet und schiebt mit halb abgewandtem Gesicht vorbei. »Sie sehen doch, ich bin beschäftigt!«
    »Aber selbstverständlich, entschuldigen Sie bloß, Frau Thumann. Es war ja nur ’ne eilige Anfrage wegen Kohldampf. Wir warten gerne. Es geht ja erst auf

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