Wolf unter Wölfen
Halbschuhe sein!
Natürlich findet er sie erst im zweiten Koffer. Er kriegt sie ziemlich schwer an. Die weiten sich beim Gehen! tröstet er sich.
Negermeier marschiert, dies vollbracht, ins Büro. Aus Fächern und Mappen sucht er sich seine Papiere heraus; die Angestellten-Versicherung klebt er gleich für alle Fälle ein halbes Jahr voraus. Marken gibt’s ja genug in diesem Stall, und ist das Zeug nachher entwertet, schadet es auch nichts.
Nun schreibt er sich mit Bedacht eine polizeiliche Abmeldung,Herr Hans Meier geht »auf Reisen«. Der Gutsvorsteherstempel wird daruntergedrückt – so, der Kitt ist auch in Ordnung.
Doch ein Augenblick Nachdenken überzeugt Meier von der Richtigkeit des Satzes, daß doppelt genäht besser hält, und so schreibt er gleich noch eine zweite Abmeldung. Auf ihr ist Meier ein Schmidt geworden, Verzeihung! –: von Schmidt, Hans von Schmidt, Beruf: Administrator, ebenfalls auf Reisen. »So, ihr Quatschköppe, nun sollt ihr mich mal finden!«
Meier grinst höchst befriedigt. Die Befriedigung über seine große Schlauheit vertreibt Kopfdruck und Haarweh – es ist eine herrliche Sache, schlauer zu sein als die andern und sie reinzulegen! Prost!
Meier klappt die Schreibmaschine auf und macht sich daran, auf einem Briefbogen der Gutsverwaltung Neulohe ein Zeugnis für sich zu tippen. Natürlich ist er die Perle aller Beamten, weiß alles, kann alles, tut alles – und ehrlich, zuverlässig, fleißig ist er auch noch! Es ist eine Wonne, sich dies alles schriftlich zu geben. Aus den Zeilen dieses Zeugnisses steigt ein Meier auf, wie Meier ihn gerne kennte, wie Meier gerne ein Meier wäre, ein untadeliger, tüchtiger Meier mit einer schönen, aussichtsreichen Zukunft, wirklich geeignet für eine Administratorstelle, kurz, der Meier aller Meier!
Dies Zeugnis ist eigentlich zu schön – es ist nicht recht verständlich, warum man einen solchen Beamten je gehen läßt, man müßte ihn behalten bis an sein Lebensende! Aber der kluge, der weise, der witzige Meier ist auch dieser Lage gewachsen. »Wegen Aufgabe der Pachtung«, schreibt er hin – siehste wohl, da gibt es dann auch keine Rückfragen des neuen Chefs an den alten. Hat ja die Pachtung aufgegeben, weiß nicht, wohin er jetzt gezogen ist. Nun noch Stempel der Gutsverwaltung, Unterschrift: Joachim von Prackwitz, Rittmeister a. D. und Rittergutspächter – noch einen Stempel des Gutsvorstehers zur Unterschriftsbeglaubigung – Stempel sind immer gut. Knorke sieht das Dings aus – darauf fängt sich der geschliffenste Fuchs!
Rein mit den Papieren in die Brieftasche. Die vorrätigen Briefmarken stecken wir gleich dazu, Marken kann man immer brauchen – zu was soll das Zeug hier liegen –? Der Geldschrank ächzt nicht sehr laut, wie gesagt, es ist nicht übermäßig viel, aber für ’ne Weile langt es. Und wenn Mandchen noch fleißig zubuttert, kann ich ein paar Wochen fett leben! Gott, ich bin der richtige geschwollene Oskar, rechts die Papiere, links das Geld – Busen, Busen, mein Kind, muß man haben! Busen ist die große Mode – nee, eigentlich gar nicht! Aber von mir aus ist Busen immer nett. Nun noch den Geldschrank zu, es sieht besser aus morgen früh …
»Lassen Sie ’n offen, Liebling! Immer offenlassen, junger Mann – es sieht besser aus. Der Rittmeister ist dann morgen früh gleich im Bilde!« ruft der Leutnant von der Tür her.
Einen Augenblick verzieht sich Meiers Gesicht. Aber es ist wirklich nur ein Augenblick. »Das mach ich genau, wie ich will«, sagt er frech und schließt die Tür. »Und übrigens haben Sie nachts hier gar nichts zu suchen … Vorhin haben Sie mir schon in meinem Zimmer einen Brief geklaut …«
»Jungchen!« sagt der Leutnant drohend und tritt zwei Schritte näher. Aber etwas fassungslos ist er doch über diese sagenhafte Frechheit. »Jungchen, sehen Sie dies?«
»Natürlich seh ich das Dings«, erklärt Meier, und kaum ein Zittern seiner Stimme verrät, wie ungemütlich ihm der Anblick der Pistole ist. »Und ich hätt mir ja auch so eine Kanone nehmen können, da im Schub liegen genug. Aber ich denk immer, es wird auch so gehen. – Ich habe ja gewußt, daß Sie kommen!« setzt er etwas prahlerisch hinzu.
»So, das haben Sie gewußt –?« sagt der Leutnant leise und sieht den kleinen, häßlichen, boshaften Menschen aufmerksam an.
»Sie wollen ein Verschwörer sein?! Sie wollen einen Putsch machen?« höhnt der kleine Meier und fühlt sich schon wieder ganz sicher und obenauf.
Weitere Kostenlose Bücher