Wolf unter Wölfen
»Und Sie merken nicht mal, daß ein Mädchen die ganze Zeit hier im Nebenzimmer gestanden hat, hier im Büro, wie Sie in meinem Zimmerwaren. Und sie hat alles mit angehört, was Sie und die Weio geredet haben – ja, da staunen Sie!«
Aber es sieht nicht so aus, als staunte der Leutnant. »So«, sagt er ruhig, »da ist also ein Mädchen hier versteckt gewesen? Und wo ist das Mädchen jetzt? Wieder im Nebenzimmer?«
»Nee!« sagt Meier kühn. »Diesmal nicht. Wir sind ganz unter uns, deswegen brauchen Sie sich nicht zu genieren. Ihr Fräulein Braut geht mit meinem Fräulein Braut noch ein bißchen spazieren. – Aber Sie können sich natürlich denken«, setzt er warnend hinzu, als er eine unbeherrschte Bewegung des Leutnants sieht, »was mein Mädchen morgen erzählt, wenn mir was passiert ist. – Oder wollen Sie uns beide totschießen?!« sagt er kühn, freut sich seiner Frechheit und lacht.
Der Leutnant wirft sich in einen Stuhl, schlägt die braunen Gamaschenbeine übereinander und brennt sich bedachtsam eine Zigarette an. »Dumm sind Sie nicht, mein Junge«, sagt er. »Fragt sich nur, ob Sie nicht zu schlau sind. – Darf man sich nach Ihren Plänen erkundigen?«
»Das dürfen Sie!« sagt Meier bereitwillig. Nachdem er nun den Leutnant davon überzeugt hat, daß es klüger ist, ihm nichts zu tun, hat er nur den Wunsch, mit dem Manne im guten auseinanderzukommen. »Ich hau hier ab!« sagt er. »Hab schon Feierabend gemacht – na, Sie haben es ja gesehen, vorhin am Geldschrank …« Er sieht den Leutnant an, aber der Leutnant zuckt nicht.
»Das ist mein gutes Recht, daß ich mir das Geld genommen habe. Erst mal krieg ich noch Gehalt, und dann, was denken Sie, was der mir hier für einen Schandlohn durch die Entwertung bezahlt hat!?! Wenn ich mir ein bißchen nehme, ist es noch lange nicht so viel, wie der Rittmeister mir gestohlen hat.«
Er sieht den Leutnant auffordernd an, als solle der zustimmen.
Aber der meint nur: »Das interessiert mich nicht. – Wo wollen Sie denn hin?«
»Ein bißchen weiter weg«, sagt Meier und lacht. »Ich find,die Gegend hier riecht sauer. Ich hab gedacht, Schlesien oder auch Mecklenburg …«
»Schönschön«, sagt der Leutnant. »Ganz vernünftig. Schlesien ist nicht schlecht. – Aber wo wollen Sie
jetzt
hin?«
»Jetzt –?«
»Na ja«, sagt der Leutnant etwas ungeduldig. »Daß Sie morgen früh nicht von der Kreisstadt aus fahren, wo Sie jeder kennt, das kann ich mir eigentlich denken. Wo wollen Sie also jetzt hin?«
»Jetzt –? Ach, bloß hier auf ein Dorf in der Nähe.«
»So, auf ein Dorf? Welches denn zum Beispiel?«
»Was geht das eigentlich Sie an?!« fragt Meier, denn diese Ausfragerei, hinter der irgend etwas Verborgenes steckt, macht ihn ganz nervös.
»Oh, das geht mich schon ein bißchen an, mein Junge«, antwortet der Leutnant kühl.
»Wieso denn –?«
»Nun, wo zum Beispiel einer sitzt, der von meinen Beziehungen zu Fräulein von Prackwitz weiß. In Schlesien interessiert das kein Aas, aber hier in der Nähe könnte der ja auf die Idee kommen, aus seiner Wissenschaft Geld zu schlagen.«
»Auf die Idee wär ich nie gekommen!« empört sich Meier. »Nee, so ein Schwein bin ich nun doch nicht! Da dürfen Sie ganz sicher sein, Herr Leutnant! Ich halte dicht, in solchen Sachen bin ich Kavalier!«
»Ja, ich weiß«, sagt der Leutnant ungerührt. »Also – wie heißt das Dorf?«
»Grünow«, sagt Meier zögernd und weiß eigentlich gar nicht, warum er den Namen nicht nennen soll, wo der Leutnant doch schon alles weiß.
»So, Grünow«, sagt der Leutnant. »Wieso grade Grünow! Sie meinen doch das Grünow bei Ostade?«
»Ja, das hat mir mein Mädchen so vorgeschlagen. Sie will da am Sonntag zu mir zum Tanz kommen.«
»Tanzen wollen Sie da auch? Sie wollen da wohl länger bleiben?«
»Bloß ein paar Tage. Montag hau ich dann ab – von Ostade aus. Sie können sich darauf verlassen, Herr Leutnant.«
»Ja, kann ich das?« sagt der Leutnant gedankenvoll, steht auf und geht auf die Schublade zu, die ihm Meier vorhin bezeichnet hat. Er zieht sie auf und betrachtet ihren Inhalt. »Na, da haben Sie ja ein paar ganz nette Donnerbüchsen«, sagt er gönnerhaft. »Wissen Sie was, Herr Meier, ich würde mir doch so ein Dings einstecken.«
Aber der wehrt ab. »Was soll ich denn damit? Nee, danke schön!«
»Sie gehen durch den Wald, Herr Meier, und Gesindel treibt sich jetzt genug herum. Ich würde das Dings mitnehmen, Herr Meier, ich gehe nie ohne
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