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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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langsam. »Ich habe nichts ausgefressen.« Wieder schweigt er. Dann unter dem ruhigen Blick desAlten: »Ich möchte nur gerne meine Freundin sprechen. Die ist nämlich da drinnen.« Und er deutet mit dem Kopf auf die Tür.
    »Jetzt?!« ruft der Alte fast entrüstet. »Nachts zwischen drei und vier?!«
    »Ja«, sagt Pagel.
    »Dann haben Sie doch wohl was ausgefressen, daß es Ihnen keine Ruhe läßt –?«
    Pagel schweigt.
    »Daraus kann nichts werden. Jetzt gibt es keine Besuche. Und überhaupt …«
    »Geht es denn gar nicht?« fragt Pagel nach einer Weile.
    »Ausgeschlossen!« sagt der andere. Er überlegt, er sieht den Jungen an. Schließlich sagt er: »Und das wissen Sie auch ganz gut. Sie stehen hier nur so, weil es Ihnen keine Ruhe läßt …«
    »Ich bin ganz zufällig hier auf dem Präsidium. Ich bin nicht extra hergekommen.«
    »Aber zu dieser Tür sind Sie doch extra gekommen? Die haben Sie doch nicht leicht gefunden, jetzt in der Nacht?«
    »Nein«, antwortet Pagel.
    »Da sehen Sie es«, sagt der alte Mann. »Es ist mit Ihnen genau wie mit denen, die sich stellen kommen. Die sagen auch alle, sie kommen nicht wegen des schlechten Gewissens – schlechtes Gewissen, so was gibt es doch heute nicht mehr. Aber warum kommen sie dann nachts um zwei, drei?! Das ist eine besondere Zeit, da ist der Mensch allein mit sich, da hat er plötzlich ganz andere Gedanken als am Tage. Und da kommen sie denn.«
    »Ich weiß nicht«, sagt Pagel trübe. Er weiß wirklich nichts. Er möchte nur nicht abreisen, ohne sie wenigstens gefragt zu haben, ob es denn wirklich wahr ist. Manchmal sagt er sich, der Beamte muß ihm die Unwahrheit gesagt haben, es ist unmöglich, er kennt doch Petra! Und dann sagt er sich wieder, daß ein Beamter ihm nichts Unrichtiges sagt, daß er gar kein Interesse hat, ihm etwas Unrichtiges zu sagen, daß es wahrsein muß. Ach, das Spiel ist vorbei, der Rausch ist verflogen, Sieg wurde zur Niederlage – wie allein ist er jetzt! Peter, Peter – es war doch jemand neben ihm, etwas Lebendiges, das an ihm hing – soll denn alles verloren sein?
    »Ich will morgen früh abreisen«, sagt er bittend. »Geht es denn gar nicht zu machen heute nacht? Es braucht ja keiner etwas zu merken.«
    »Was denken Sie?!« ruft der Alte. »Drinnen sind doch auch Nachtwachen. Nein, es ist ganz unmöglich.« Er denkt einen Augenblick nach, sieht Pagel prüfend an und sagt dann wieder: »Und überhaupt …«
    »Was heißt das: und überhaupt –?« fragt Pagel ein wenig ärgerlich.
    »Und überhaupt gibt es bei uns eigentlich keine Besuchserlaubnis«, erklärt der Beamte.
    »Und uneigentlich –?«
    »Uneigentlich auch nicht.«
    »So«, sagt Pagel.
    »Wir sind doch hier Polizeigefängnis«, sagt der Alte in einem Bedürfnis, die Sachlage zu erklären. »Im Untersuchungsgefängnis kann der Untersuchungsrichter Besuchserlaubnis geben, aber hier bei uns gibt es das nicht. Bei uns bleiben die meisten ja nur ein paar Tage.«
    »Ein paar Tage …«, wiederholt Pagel.
    »Ja. Vielleicht erkundigen Sie sich nächste Woche mal in Moabit.«
    »Das ist ganz sicher, daß ich morgen früh hier nicht zu ihr kann? Da werden keine Ausnahmen gemacht?«
    »Bestimmt nicht. Aber wenn Sie natürlich irgend etwas wissen, daß Ihre Freundin unschuldig sitzt, und sagen das morgen dem Kommissar, dann kommt sie raus, das ist klar.«
    Pagel schweigt nachdenkend.
    »Aber so sehen Sie ja auch nicht aus, als ob Sie so ’ne Botschaft hätten, nicht wahr? Mit so einer Botschaft stellt man sich ja nicht in der Nacht hierher zu mir. Sie möchten mit Ihrer Freundin nur sprechen, nicht wahr – privat?«
    »Ich wollte sie etwas fragen«, sagt Pagel.
    »Aber dann schreiben Sie ihr doch einen Brief«, sagt der alte Mann begütigend. »Wenn in dem Brief nichts von der Sache steht, wegen der sie hier ist, dann wird er ihr ausgehändigt, und dann darf sie Ihnen auch antworten.«
    »Aber ich will sie ja grade wegen der Sache was fragen!«
    »Ja, junger Mann, da müssen Sie sich schon gedulden. Wenn Sie sich wegen der Sache erkundigen wollen, das dürfen Sie auch im Untersuchungsgefängnis nicht. Bis die Sache nicht abgeurteilt ist, darf mit ihr nicht darüber geredet werden.«
    »Und wie lange kann das dauern?« fragt Pagel verzweifelt.
    »Ja, das kommt doch ganz auf die Sache an. Hat sie denn gestanden?«
    »Das ist es ja eben. Sie hat es gestanden, aber ich glaube es ihr nicht. Sie hat was gestanden, was sie gar nicht getan hat.«
    Der Alte greift sehr ärgerlich

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