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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Herr Meier«, sagt der Leutnant sehr höflich, aber bitterernst.
    »Ich – tot – lächerlich …«, stammelt der kleine Meier aschfahl und späht in das Gesicht seines Gegenübers. »Ich hab Ihnen doch gar nichts getan, Herr Leutnant!«
    Flehend, angstvoll späht er in das Auge des andern, aber darin ist nichts zu lesen, gar nichts, es glitzert kalt.
    »Ihre Pistole und meine Pistole haben nämlich das gleiche Kaliber«, erklärt der Leutnant erbarmungslos. »Sie sind doch ein Riesenroß, Meier, daß Sie die Pistole eingesteckt haben … Und nun haben Sie auch noch den Lauf frisch beschossen … Ich treff aber besser als Sie, Herr Meier. Und ich steh jetzt so schön rechts von Ihnen, Nahschuß auf zwanzig Zentimeter in die rechte Schläfe … Jeder Schießsachverständige sagtSelbstmord, mein lieber Herr Meier. Und daheim die geplünderte Kasse … der Schuß auf das Mädchen – nein, nein, Herr Meier, machen Sie sich gar keine Gedanken, da gibt’s keinen Zweifel: alles spricht für Selbstmord.«
    Der Leutnant redet und redet, er tut sehr überlegen, aber er ist wohl nicht so ruhig, wie er tut. Etwas anderes ist es, im Kampf oder in der Leidenschaft auf jemanden zu schießen, wieder etwas anderes, kaltblütig ein Opfer auf Grund von verstandesgemäßen Erwägungen abzuschlachten. Er zählt sich säuberlich noch einmal auf, daß er nichts »riskiert«, daß er die Sache nicht gefährdet, sondern rettet vor einem Verräter.
    Und dabei wünscht er doch im stillen – Schießsachverständige hin, Risiko her –, daß der Meier hastig nach der Pistole in der Gesäßtasche griffe: ein rascher Schuß, mit dem der Leutnant ihm zuvorkommt, ist soviel leichter als der ruhige, kaltblütige Schuß in das graue, schon so klein und spitz gewordene Gesicht hinein.
    Aber Meier denkt gar nicht an die Pistole in der eigenen Tasche, er stammelt: »Herr Leutnant, ich schwöre Ihnen, ich sage nie ein Wort von Ihnen und dem Fräulein Weio … Und auch nicht von dem Putsch … Ich halt’s, Herr Leutnant, ich hätt ja doch immer Angst, daß Sie mich erwischen, Sie oder einer von Ihren Leuten, ich bin ja doch feige … Bitte, schießen Sie nicht! Ich – schwöre Ihnen bei allem, was mir heilig ist …«
    Seine Stimme versagt ihm, er schluckt und starrt angsterfüllt auf den Leutnant …
    »Aber es ist Ihnen ja nichts heilig, Meier«, sagt der Leutnant. Er kann sich noch immer nicht entschließen. »Sie sind ja ein völliges Schwein, Meier.«
    Der kleine Meier, der Negermeier, hat atemlos auf die Lippen des andern gestarrt, nun flüstert er hastig: »Ich kann mich doch noch ändern! Glauben Sie mir, Herr Leutnant, ich kann noch anders werden, ich bin ja noch jung! Sagen Sie, bitte, sagen Sie ja! Ich mache kehrt, ich gehe wieder nachNeulohe, ich gestehe dem Rittmeister, daß ich das Geld geklaut habe. Soll er mich ins Gefängnis schicken, ich geh gerne, ich will mich ja bessern, es soll ruhig schwer sein … bitte, bitte, Herr Leutnant!«
    Der Leutnant schüttelt finster den Kopf. Ach, hätte er doch gar nicht erst mit diesem Kerl zu quatschen angefangen! Hätte er nur gleich losgemacht, ohne ein Wort, aber nun … es wird immer ekelhafter! Er ist ja nicht völlig verderbt, der Leutnant, er macht sich auch nichts vor, er weiß, er allein hat diesen jungen Bengel hereingerissen. Der muß sterben, weil er, der Leutnant, es nicht lassen konnte, mit der kleinen Prackwitz anzubändeln … Es ist schlimm, aber es hilft nichts, jetzt weiß der Meier viel zuviel, er ist zu gefährlich, noch viel gefährlicher, seit er die toddrohende Pistole auf sich gerichtet sah.
    »Nehmen Sie die Koffer, Meier, wir gehen noch ein Stück!«
    Keine Spur von Widerstand, gehorsam wie ein Schaf nimmt Meier die Koffer, sieht den Leutnant fragend an.
    »Da rauf, die Schneise lang!« befiehlt der.
    Meier mit den Koffern geht voraus. Er hat die Schultern eingezogen, als könne das den gefürchteten Schuß von hinten verhindern. Die Koffer sind nicht mehr schwer, die Schuhe drücken nicht mehr, er geht eilig, als könnte er dem Tod weglaufen, der hinter ihm drein geht.
    Wenn es doch erst vorbei wäre! denkt der Leutnant, die Augen aufmerksam auf den Vorausgehenden gerichtet. Aber diese Schneise hier ist wirklich zu begangen. Besser, sie finden ihn erst in drei oder vier Tagen, wenn es keine Spur mehr von mir gibt …
    Diese Gedanken ekeln ihn, sie haben etwas so Unwirkliches, etwas von einem wüsten Traum. Aber hier geht der Mann vor ihm, es ist noch ein lebendiger

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