Wolf unter Wölfen
von früh bis spät, aber ich mache doch viel Bockmist, zugegeben! Einfach, weil ich den Dreh nicht so kenne … Und nun ist mir wirklich was gewachsen, keine Bombenernte, aber doch ganz erträglich – es steht draußen, es müßte rein – und nun dies: keine Leute! Es ist zum Verzweifeln!«
»Aber warum hast du denn keine Leute, wenn andere sie doch haben. Verzeih, Prackwitz, aber du sagtest vorhin selbst: die halten sie alle fest.«
»Weil ich kein Geld habe! Die andern engagieren sich ihre Leute im Frühjahr, ich habe mir so lange hingeholfen. Ich habe das Engagement bis zum letzten Augenblick aufgeschoben, um Löhne zu sparen … Sieh mal, Studmann, mein Schwiegervater ist ein reicher Mann, ein schwerreicherMann, aber ich habe nichts. Schulden habe ich! Er hat mir den Hof verpachtet, wie er steht und geht, mit allem Inventar, ich habe kein Geld dazu gebraucht. Bis jetzt habe ich mir noch immer so durchgeholfen, ein bißchen Kartoffeln verkaufen, ein bißchen Vieh – das hat die Löhne gebracht und was wir so zum Leben brauchen. Aber jetzt, jetzt muß Geld rein! Sonst bin ich erledigt, ratzekahl pleite! Und das Geld ist da, es steht auf dem Felde – ich brauche nur einzufahren, zu dreschen, zu liefern, und ich habe Geld! Und da kriege ich solche Leute! Aufhängen müßte man sich!«
»Ich weiß nicht, wieviel Millionen Arbeitslose wir haben«, sagte von Studmann. »Es werden ja alle Tage mehr. Aber für Arbeit gibt’s keine Arbeiter.«
Von Prackwitz hatte nicht hingehört. »Und ich nehme die Leute nicht!« sagte er mit grimmiger Entschlossenheit. »Vielleicht würden sie sogar ein bißchen was tun, in der ersten Zeit, solange sie kein Rückreisegeld und Hunger haben. Aber ich lasse mich nicht auslachen von der ganzen Gegend und der lieben Verwandtschaft! Ich mache aus meinem Leutehaus kein Bordell – sieh bloß mal, wie die beiden sich da antatschen auf der Treppe, ekelhaft – ich finde das zum Kotzen! – Und ich verderbe mir mein Neulohe nicht; mit den Leuten aus Altlohe ist es schon schwer genug … Nein, ich nehme sie nicht.«
»Und was tust du statt dessen? Da du doch Leute haben mußt –?«
»Ich will dir was sagen, Studmann. Ich rufe das Zuchthaus an, wir haben das Zuchthaus Meienburg bei uns in der Gegend, ich lasse mir ein Zuchthauskommando kommen. Lieber die Bengels, mit ein paar richtigen Wachtmeistern dabei, den Karabiner in der Flosse – als die hier! Das kann mir der Direktor im Zuchthaus nicht verweigern – und eventuell fahren wir beide mal hin zu ihm – jetzt habe ich ja dich zur Hilfe!«
Plötzlich lächelt der Rittmeister. Daß er einen richtigen Freund, mit dem er über alles reden kann, von nun an in seiner Nähe hat, wird ihm plötzlich wieder klar. Darum hat erja auch in den letzten fünf Minuten mehr geredet als in fünf Monaten vorher.
Studmann nickt, und von Prackwitz sagt: »Sieh mal, Studmann, mein Schwiegervater hat ja wieder recht: ich bin kein Geschäftsmann. Da fahre ich in der eiligsten Zeit nach Berlin, lasse vierundzwanzig Stunden den ganzen großen Betrieb mit der Ernte, auf die alles ankommt, einem Schnösel und Windhund, gebe eine Menge Geld aus, verspiele noch mehr, komme mit einem Haufen Schulden bei dir und dem jungen Pagel zurück und bringe keine Leute, sondern tue das, was mir meine Nachbarn schon vor vier Wochen geraten haben: ich nehme ein Zuchthauskommando …«
Von Prackwitz lächelt; leise, sehr vorsichtig lächelt auch von Studmann.
»Na schön, also habe ich’s wieder mal verkehrt gemacht. Aber was weiter? Wir machen alle unsere Dummheiten, Studmann (mein Schwiegervater nämlich auch), aber die Hauptsache ist, daß wir unsere Dummheiten einsehen. Ich sehe sie ein! Ich mach sie besser. Aber ich mach weiter, Studmann, und du hilfst mir.«
»Natürlich!« stimmt Studmann zu. Aber wird es denn nicht Zeit mit unserm Zug? Du mußt wohl noch mit dem Vermittler reden? Und der junge Pagel ist auch noch nicht da!«
Aber von Prackwitz hört jetzt nicht. Macht es der Freund? Macht es das aufrüttelnde Erlebnis in der Nacht? Prackwitz ist redselig. Prackwitz will Geständnisse machen, Prackwitz möchte beichten.
»Du hast jetzt so lange im Hotel gearbeitet, Studmann, du hast sicher was weg von Buchführung und Geldeinteilung und Leutebehandlung. Ich brülle bloß immer gleich los. – Wir müssen es schaffen! Was –? Daß ich den Hof behalte! Ich weiß, mein Schwiegervater möchte ihn zu gerne wiederhaben. (Entschuldige, daß ich soviel von meinem
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