Wolf unter Wölfen
glättet seine Fransen. »Ich habe auf dem Hof schon Nasenbluten bekommenund wollte nachkommen und habe Sie nicht gefunden, weil Sie den Weg an den Remisen gegangen sind, und ich bin die Schneise beim Wildfutterplatz hoch gegangen …«
»Gott sei Dank!« atmet Weio auf. »Ein anständiger Kerl sind Sie eben doch, Hubert!«
»Und ich würde mir überhaupt einen Augenblick lang überlegen«, fährt Hubert unerschüttert fort, »was Sie der gnädigen Frau erzählen wollen. Von dem Herrn Inspektor Meier würde ich nicht so viel sprechen – und wie ist es denn mit dem Wilderer, dem Bäumer –? Wenn den der Förster gefangen hat, müssen gnädiges Fräulein doch dabeigewesen sein –! Was haben Sie denn mit dem Förster verabredet?«
»Aber gar nichts, Hubert! Er ist doch gleich wieder in den Wald raus – mit dem Inspektor!«
»Sehen Sie! Und haben Sie denn nun den Bock geschossen, oder hat er ihn geschossen? Oder ist er gar nicht geschossen –? Es war mir doch so, als hätte ich einen Schuß gehört, heute gegen Morgen.«
»Oh, Hubert, Hubert – das ist doch grade das Tollste, das habe ich Ihnen noch gar nicht gesagt! Da hat doch wirklich der kleine Meier auf die Geflügelmamsell, die Amanda Backs, geschossen –!«
»Gnädiges Fräulein!« sagt Hubert streng und richtet seine ausdruckslosen Fischaugen auf sie. »Das habe ich nicht gehört, von all so was Wildem weiß ich nichts …«
»Aber er hat sie doch nicht getroffen! Er war doch dun!«
»Gehen Sie jetzt auf Ihr Zimmer und ziehen Sie sich um«, sagt Hubert Räder und ist so erregt, wie er nur sein kann. »Nein, Sie müssen jetzt hier rausgehen, ich muß hier saubermachen, Sie stören mich …«
»Hubert, werden Sie nicht frech –! Wenn ich hier sein will, bleibe ich hier …«
»Und ich würde mir genau überlegen, was ich sage – und am besten erzählen Sie gar nichts, sondern sind mit mir umgekehrt, als ich Nasenbluten bekam … Aber das bringen Sie doch nicht fertig – und so wird heute nachmittag schon dasschönste Gerede im Gange sein, und heute abend haben wir die Polizei im Haus … Aber ich habe für mich vorgesorgt, ich habe zwei blutige Taschentücher, und um halb zwei habe ich bei der Armgard geklopft und habe sie gefragt, was die Uhr ist, weil mein Wecker stehengeblieben war, er war aber nicht stehengeblieben … Ich weiß also von nichts, und mit Ihnen geredet habe ich hier auch nicht – seit ich Nasenbluten bekam, habe ich Sie nicht gesehen … Guten Morgen, gnädige Frau, wünsche wohl geruht zu haben. Ja, ich mache hier gründlich rein, bloß, der Staubsauger ist entzwei, aber das ist Armgard gewesen, gnädige Frau, doch es geht auch so … Und ich bitte um Verzeihung, daß ich das gnädige Fräulein nicht in den Wald begleitet habe … Bloß, ich bekam solches Nasenbluten, weil ich die Schlaflosigkeit nicht vertrage … Das habe ich schon als Kind gehabt, wenn ich zuwenig Schlaf …«
»Bitte, Hubert, hören Sie jetzt gefälligst auf. Ich sage es ja, wenn Sie einmal den Mund auftun –. Und du, Weio, noch im Jagdkleid –. Darf man denn Weidmanns Heil sagen, oder war der Ansitz umsonst –?«
»Ach, Mama, was wir alles erlebt haben! Es war großartig! Ja, der Bock ist geschossen, aber nicht von mir, sondern, denke dir mal – aber das rätst du ja doch nie –, der Bäumer hat ihn geschossen – aber du weißt doch, Mama, der Wilddieb aus Altlohe, über den Großvater immer so schimpft … Und Kniebusch hat ihn verhaftet, den Bäumer natürlich, aber den Bock haben wir auch … Und jetzt sind sie in den Wald, ihn holen, er ist aber bewußtlos. Und Inspektor Meier …«
»Darf ich jetzt hier weiter rein machen?« unterbricht der Diener Räder mit ganz ungewohntem Nachdruck.
Und die gnädige Frau: »Also, Weio, komm rüber zu mir. Das mußt du mir alles ganz genau erzählen … Und du bist bei so was dabeigewesen, hinterher kriege ich ja doch noch einen Schreck … Aber Papa wird sich auch freuen, daß der Bäumer erledigt ist. Wieso ist er denn bewußtlos –? Hat Kniebusch denn auf ihn geschossen? Ich sage ja immer zu Vater, Kniebusch ist eben doch besser …«
Sie sind fort – der Diener Räder steht da und nickt ernst. Vorläufig geht alles gut, vorläufig redet noch die gnädige Frau …
Aber wenn der Rittmeister kommt und fragt –? Was dann?
7
Der Rittmeister von Prackwitz sprang eilig aus der Autodroschke, zahlte und lief die Stufen zu der Eingangshalle des Schlesischen Bahnhofs hinauf. Zwar war es noch eine gute
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