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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Studmann. »Wissen Sie es nicht? Der Friede der Felder, der Atem der Natur, gewachsener Boden unter den Füßen – Sie wissen es nicht, was es heißt, täglich dreißig Kilometer mit brennenden Sohlen die stupiden Gänge eines Hotels entlangzupreschen …«
    »Berlin! Verruchtes, vergessenes Berlin!«
    »Ich ahne ja schon, auch dieser Friede ist nur Schwindel. In den so malerisch ins Grüne geduckten Häusern des lieblichen Dörfleins dort werden Klatschsucht, Neid, Angeberei zu Hause sein wie in jeder großstädtischen Mietskaserne! Statt der bimmelnden Elektrischen wird ein Pumpenschwengel ewig quietschen; für die keifende Alte im Stockwerk darüber jault hier ein Hofhund tagaus, nachtein! Die Weihe dort bedeutet den Tod einer Maus. – Aber, Mitmensch Pagel, lassen Sie mir mein Glück, entblättern Sie nicht die junge Blüte meines Glaubens! Friede der Felder, Eintracht der Hütten, Ruhe der Natur …«
    »Kommen Sie baden, Studmann, baden kühlt – die Krebsteiche sollen sehr kalt sein …«
    »Ja, gehen wir baden«, stimmte Studmann begeistert zu. »Versenken wir diesen heißen Leib in die kühlen Fluten – waschen wir von der zergrübelten Stirn den ätzenden Schweiß des Zweifels – ach, Pagel, Mensch, ich muß es Ihnen gestehen: ich fühle mich sauwohl …«

5
    Der Geheime Ökonomierat Horst-Heinz von Teschow hatte seinem alten Diener Elias einmal einen Stock geschenkt, ein gelblich-bräunliches Malakkarohr mit einem goldenen, kugligen Knauf obendrauf. Im allgemeinen war der alte Herr nichtfürs Schenken, im allgemeinen erledigte er dieses Problem mit der Frage: Wer schenkt mir was –?! Aber manchmal war er eben auch anders und schenkte jemandem was (und erinnerte ihn dann seine Lebtage daran).
    Der Malakkastock war auch erst dann in den Besitz des Elias übergegangen, als durch das schimmernde Gold der Kugel das graue Blei ihrer Füllung schien. Das hinderte den alten Herrn nicht, Elias oft an den »echt goldnen Stock« zu erinnern: »Putzt du ihn auch ordentlich, Elias? Das Rohr mußt du alle vier Wochen fetten. Das ist ein Erbstück, solch goldner Stock, den kannst du noch deinen Kindern vermachen. – Na ja, Kinder hast du nicht (wenigstens, soviel mir bekannt ist), aber ich bin überzeugt, sogar meine Enkelin Violet würde sich über den goldnen Stock freuen, wenn du ihn ihr in deinem Testament vermachen würdest …«
    Was Elias über den Goldgehalt der Kugel dachte, blieb unbekannt, er war zu würdig, von solchen Dingen zu sprechen. Aber er hielt das Malakkarohr lieb und wert und hatte es bei sonntäglichen Gängen stets in der Hand. So auch heute. In der einen Hand den Stock, in der andern einen Panama, trug er seinen großen, gelblichen Schädel durch die Nachmittagssonne zwischen den Häusern des Dorfes hindurch auf die rittmeisterliche Villa zu. In den Brusttaschen seines feierlichen braunen Bratenrockes mit besponnenen Knöpfen trug er links die Tasche mit den Tausendmarkscheinen, rechts den Brief des Geheimrats an seinen Schwiegersohn, der nun endlich bestellt werden sollte.
    Wo er ein Gesicht sah, da blieb der alte Elias stehen und sprach es an. War es ein Kind, so fragte er nach dem ersten oder fünften Gebot; war es eine Frau, erkundigte er sich nach den Gichtschmerzen oder ob auch noch Milch genug da sei für das Nähren des Säuglings. Bei den Männern aber fragte er nach dem Fortschritt der Ernte, sagte »Ah!« oder »Oh!« und »Ach was!«, brach aber immer nach drei oder vier Sätzen die Unterhaltung ab, schwenkte leicht den Panama, stieß das Malakkarohr auf die Erde und schritt weiter. KeinSerenissimus hätte leutseliger und doch würdiger zwischen seinen Untertanen wandeln können als der alte Elias unter den Bewohnern des Dorfes, die ihn doch nichts angingen und die er nichts anging. Sie akzeptierten ihn aber alle willig, so wie er war, und war einmal ein Neuer darunter, der sich nach dem ersten Interview beschwerte, was denn eigentlich der alte Affe von ihm wolle und was in aller Welt er sich denn einbilde – beim zweiten oder spätestens dritten Male war er doch schon dem Zauber wunschloser Abgeklärtheit erlegen und antwortete genauso willig wie die alte Garde.
    Der alte Elias war, obwohl ebenso alt wie der Förster Kniebusch, ganz anders, und wo der sich ewig ängstete, schmeichelte, nach den Augen sah, zum Munde redete, in die Ohren blies, immer in Sorge um Alter und Auskommen – da wanderte der alte Elias in friedlicher Heiterkeit dahin, und die Dinge dieser Welt

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