Wolf unter Wölfen
setzte sich ins Gras und brannte sich eine Zigarette an, »nun, es ist eine seltsame Welt, Pagel. Die Erde schwitzt statt Korn Angst, und ihre Angst steckt alles an. Ein Geschlecht voller Angst, Pagel. Wie ich schon heute nachmittag annahm, Pagel, der Friede der Felder ist eine Illusion, und irgend jemand ruht nicht, uns das möglichst schnell begreiflich zu machen …«
»Der alte Knacker«, sagte Sophie sehr verächtlich, »hat wohl wieder geschwatzt und geklatscht –? Bei Ihnen wirkt es vielleicht noch – wir hören schon lange nicht mehr nach seinem Gebarme hin.«
»Nein, Fräulein Sophie«, entgegnete von Studmann. »Der alte Herr hat leider nicht geschwatzt. Ich wollte, er wäre beredter gewesen, denn es scheinen hier seltsame Dinge zu geschehen. Nun, ich denke, ich werde mit der Zeit schon dahinterkommen. Aber, Pagel, um eines bitte ich Sie: Wenn Sie den Alten sehen, seien Sie immer ein bißchen freundlich zu ihm. Und wenn Sie ihm in was helfen können, dann tun Sie es. Er ist ja nur eine alte, weichliche Bangbüx, darin hat Fräulein Sophie recht, aber wenn ein Schiff SOS funkt, dann hilft man eben und fragt nicht erst lange nach der Ladung.«
»Gottedoch!« spottete Sophie. »Das hätte ich nie geglaubt, daß der Herr Förster Kniebusch noch einmal zwei solche Helfer kriegen würde.« – Denn Pagel hatte ganz einverstanden zu Studmanns Worten genickt. – »Verdient hat der es bestimmt nicht, solch heimlicher Zwischenträger und Ohrenbläser, wie er ist.«
»Ja«, sagte Studmann, »wer hat denn eigentlich was verdient hier –? Ich sicher nicht, und Pagel wahrscheinlich auchnicht, und Sie, Fräulein Sophie, ein so tüchtiges und anständiges Mädchen, wie Sie sind, eine Extrabelohnung haben Sie doch wahrscheinlich auch nicht verdient.«
Hier wurde Sophie rot und fühlte eine Spitze an der Angel, wo keine war.
»Nun, lassen wir das. Ich hab Sie eigentlich bitten wollen, Fräulein Sophie, ob sie uns nicht einmal einen Wink geben möchten wegen der Holzdiebe. – Er macht sich nämlich soviel Sorgen wegen der Holzdiebe, er sagt, sie gehen kolonnenweise, und er als einzelner ist machtlos gegen sie.«
»Was gehen denn mich die Holzdiebe an?!« rief Sophie empört. »Ich bin doch kein Spion!«
»Ich hab gedacht, Fräulein Sophie«, sagte Studmann, als hätte er nichts gehört, »Sie merken im Dorf eher einmal, wenn so eine Kolonne losgeht, als wir, die wir auf dem Hof wohnen.«
»Ich bin kein Spion«, rief Sophie noch einmal hitzig. »Ich schnüffle die armen Leute nicht aus.«
»Ein Diebstahl ist ein Diebstahl«, sagte Studmann hartnäckig. »Spion klingt häßlich, aber wer einen Diebstahl anzeigt, ist kein Verräter und kein Spion. Ich denke«, fuhr er überredend fort, »Sie interessieren sich für den Hof und sein Gedeihen, Sie nehmen Anteil daran. Ihr Vater ist doch auch in solcher Zwischenstellung zwischen den Leuten. Er muß auch manchmal melden, wer schlecht gearbeitet hat, ohne darum Angeber zu heißen. Schließlich haben Sie ganz bequem neben dem Rittmeister im Zug gesessen und sitzen jetzt hier gut neben uns – man muß doch wissen, zu wem man gehört …«
Sophie hatte den Kopf in die Hand gestützt und sah einmal den Herrn von Studmann und einmal den Herrn Pagel nachdenklich an. Aber es war dabei gar nicht sicher, daß sie auf die listig von Studmann gesprochenen Worte gehört hatte, sie schien über etwas nachzusinnen. Schließlich sagte sie: »Nun gut, ich will mal sehen. Aber es ist nicht sicher, daß ich auch wirklich etwas erfahre, ich rechne für die Leute auch nicht mehr mit.«
»Schön, schön«, sagte Studmann und stand auf, »wenn Sie nur an uns denken wollen, das ist schon was. Das andere findet sich dann schon. – Und wenn Sie nun nichts dagegen haben, gehen wir alle drei noch einmal ins Wasser. Meine Füße sind ziemlich kaputt, ich möchte sie vor dem Heimweg noch ein bißchen kühlen. – Dann dürfte unsere Zeit herum sein, und wir können ohne Tadel nach Haus gehen. Dabei müssen Sie uns noch von den Birnbaumer Teichen erzählen, Fräulein Sophie. Ich trau dem alten Herrn zu, daß er seinem Förster nicht so ohne weiteres glaubt, sondern uns ein bißchen auf den Zahn fühlt. – Wenn er nicht gar hier noch auftaucht …«
Und Studmann warf einen argwöhnischen Blick auf den Waldrand.
7
Mit seiner Befürchtung, der alte Herr Geheimrat könne noch in Person an den Krebsteichen auftauchen, hatte Herr von Studmann nicht recht. Er schätzte den Herrn von Teschow noch
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