Wolf unter Wölfen
an und sagt mir, daß die Herren zum Baden gegangen sind und ich soll ihnen unter allen Umständen die Kleider fortnehmen, sonst hilft er mir nicht. Aber nun hat das Fieken dagesessen, und es ist nichts daraus geworden. – Warumer aber solchen Zorn auf die Herren hat, das weiß ich nicht, davon hat er keinen Ton gesagt.«
Er schwieg wieder und sah trostlos vor sich hin.
Herr von Studmann aber fragte: »Nun, Herr Kniebusch, gibt es denn hier nicht noch andere Teiche? Wir müssen ja nicht hierhergegangen sein.«
Der Förster dachte nach. Er belebte sich, ein Hoffnungsschimmer glimmte auf. »Nach dieser Seite ist es schwer«, sagte er nachdenkend. »Hier ist sonst alles Wald und Sand.«
»Birnbaum«, sagte Sophie.
»Ja, nach den Birnbaumschen Teichen könnten die Herren gegangen sein. Aber dann dürften die Herren nicht vor sieben nach Haus kommen, weil es doch so weit ist. Ob Sie so lange im Walde sitzen mögen –?«
»O doch, das tun wir schon einmal«, sagte Studmann freundlich. »Die Knechte werden ja auch einmal ohne uns füttern.«
»Dann danke ich den Herren auch schön«, sagte der Förster, und seine Tränen waren versiegt. »Es ist sehr freundlich von Ihnen zu einem alten Mann. Viel wird es aber doch nicht helfen. Ich müßte einmal einen rechten Erfolg nach Haus bringen, aber für einen alten Mann ist das wohl zuviel verlangt. Kein junger Mensch kann wissen, wie einem alten zumute ist.«
Er stand noch einen Augenblick in Gedanken, besann sich und sagte noch einmal: »Aber so ist es durch die Güte der Herren doch kein Mißerfolg geworden.«
Er lüftete den Hut und ging.
Studmann sah ihm einen Augenblick nach, dann rief er: »Warten Sie, Herr Kniebusch, ich begleite Sie noch ein Stückchen!«
Und er lief ihm nach, barfuß, im Badeanzug, ohne jede Schonung für seine recht weichen Füße. Aber was ein rechtes Kindermädchen ist, das denkt nicht an die Schmerzen in den eigenen Füßen, wenn es den Schmerz in anderer Leute Herz sieht, der des Trostes bedarf.
So blieben Sophie und der junge Pagel allein zurück, und sie unterhielten sich recht angenehm miteinander, zuerst über den Förster Kniebusch und dann von der Ernte. Und weil die Sophie an diesem Nachmittag ausgeruht und zufrieden und glücklich war, so kam sie gar nicht auf den Gedanken, dem jungen Pagel damenhaft zu imponieren oder ihm gar süße Augen zu machen. Wolfgang aber mußte sich immer wieder wundern, wie falsch er dieses nette, vernünftige Mädel in der Bahn beurteilt hatte, und er war jetzt geneigt, seinen Berliner Augen an dieser falschen Einschätzung schuld zu geben.
Was aber die Ernte anging, so hatte der Vater Kowalewski gesagt, sie seien in Neulohe mindestens drei Wochen zurück, und sie würden es nie schaffen, wenn nicht ein ordentlicher Schwung kräftiger Leute käme. Und kein Mensch im Dorf verstünde, warum sich der Rittmeister nicht ein Kommando aus Meienburg kommen ließe. Das seien die fleißigsten und die fügsamsten Leute, wenn sie nur ordentlich zu essen und zu rauchen bekämen. Aber der Rittmeister müsse sich daranhalten, alle Güter hier in der Gegend hätten schon ihre Kommandos, und das Zuchthaus sei halb leer. Sagte der Vater, denn sie wisse ja nichts davon, sie sei ja auch grade erst hier in die Gegend gekommen. Aber es tue ihr leid um die Ernte …
Pagel fand das alles vernünftig gesprochen und fand es tüchtig von dem Mädchen, daß es sich Gedanken um die Neuloher Ernte machte, die eine Berliner Zofe eigentlich doch gar nichts anging. Er nahm sich vor, heute abend mit Studmann die Sache zu bereden. Weil aber Studmann noch immer nicht zurückkam, beschlossen sie, erst einmal wieder ins Wasser zu gehen.
Da sah Pagel, daß die Sophie ausgezeichnet schwamm und daß er sich Mühe geben mußte, es ihr gleichzutun. Er aber konnte ihr etwas Neues zeigen, einen neuen Schwimmstil, der damals grade in Berlin sich auszubreiten anfing und den man »Crawl« nannte. Einem jungen Mann tut es immer gut, wenn er etwas ein bißchen besser kann als ein junges Mädchen; und wenn er diesem jungen Mädchen etwas beibringenkann, so findet er, daß dieses Mädchen ein nettes, äußerst sympathisches Mädchen ist.
Und Sophie war mit ihrem uninteressierten Sportlehrer, den sie sonst einfach beleidigend gefunden hätte, auch sehr zufrieden, und so waren sie beide bereits die allerbesten Freunde, als endlich ein hinkender, nachdenklicher Studmann aus dem Walde auftauchte.
»Nun«, sagte er mit einem Blick auf die beiden,
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