Wolf unter Wölfen
ist, sollte nicht mit Männern spielen!«
»Sie sind gemein!« ruft sie mit flammenden Wangen, zwischen Zorn und Scham. »So etwas tut ein feiner Mann nicht.«
»Es war gemein!« gibt er zu. »Aber ich mußte etwas von Ihnen wissen, und die Wahrheit hätten Sie mir nie gesagt. Jetzt weiß ich es. – Hier«, er greift in die Tasche, »diesenBrief, diese Abschrift eines Briefes fand ich auf dem Büro, in einem Buch versteckt, er ist doch wohl von Ihnen –?«
»Och, der olle dumme Brief!« sagt sie verächtlich. »Darum machen Sie nun so ein Theater! Was der Meier sich einbildet, daß er davon eine Abschrift macht! Sie hätten das Dings ruhig zerreißen sollen, statt mich so gemein reinzulegen …«
Pagel sieht sie prüfend an, während er den Brief in kleinste Stücke zerreißt. »So«, sagt er, schüttelt das Häufchen und steckt es dann in die Tasche. »Das wird umgehend verbrannt. – Aber
eine
Abschrift gibt es mindestens noch auf der Welt, und wenn die nun dieser Herr Meier an Ihren Vater schickt – was dann?«
»So was kann sich doch jeder zurechttippen!« ruft sie.
»Sicher!« gibt er zu. »Aber Sie haben schon Stubenarrest – es scheint also bereits ein Verdacht zu bestehen. Ohne den Verdacht hätte die Abschrift wenig Beweiskraft. Aber mit dem Verdacht –?«
»Ich habe das Original wieder. Wenn ich nichts zugebe, kann man mir gar nichts beweisen!«
»Aber man kann Sie überlisten!«
»Mich doch nicht!«
»Von mir haben Sie sich sehr schnell überlisten lassen!«
»Es sind nicht alle so heimtückisch wie Sie!«
»Kleines Fräulein«, mahnt Pagel freundlich, »jetzt wollen wir ausmachen, daß Sie von nun an höflich zu mir sind, genau so, wie ich höflich zu Ihnen bin. Wir wollen diesen Brief, der jetzt zerrissen ist, vergessen. Was ich getan habe, sieht nicht sehr hübsch aus. Aber es ist doch immer noch besser, als wenn ich zu Ihrer Frau Mutter gegangen wäre und geklatscht hätte, nicht wahr? – Vielleicht müßte ich das sogar tun, aber ich mags nicht …«
»Tun Sie bloß nicht so feierlich!« spottet sie. »Sie werden auch schon Liebesbriefe geschrieben und bekommen haben.« Aber ihr Spott hat die alte Kraft nicht mehr.
»O ja«, sagt er ruhig, »aber ich bin noch nie ein Lump gewesen. Ich habe noch nie fünfzehnjährige anständige Mädchenverführt. – Kommen Sie«, sagt er und faßt sie am Arm, »wir wollen zu Ihrer Mutter gehen. Sicher macht sie sich schon Sorgen.«
»Herr Pagel!« sagt sie flehend und wehrt sich gegen das Weitergehen. »Er ist doch kein Lump!«
»Natürlich ist er das, und Sie wissen es auch ganz gut!«
»Nein!« ruft sie und kämpft mit Tränen. »Warum sind alle jetzt so schlecht zu mir?! Früher war es doch anders!«
»Wer ist schlecht zu Ihnen –?«
»Ach, Mama, die mich ewig quält, und Hubert …«
»Wer ist Hubert? Heißt er Hubert?«
»Nein doch! Unser Diener, Hubert Räder …«
»Der weiß davon?«
»Ja«, sagt sie weinend, »lassen Sie doch bitte meinen Arm los, Herr Pagel, Sie drücken ihn ja kaputt!«
»Verzeihung – Der Diener quält Sie also?«
»Ja … Er ist so gemein …«
»Und wer weiß noch davon?«
»Was Bestimmtes keiner.«
»Inspektor Meier nicht?«
»Ach der! Der ist doch abgereist!«
»Also der auch. – Wer noch?«
»Der Förster – aber der weiß nichts Bestimmtes.«
»Wer noch?«
»Keiner – bestimmt nicht, Herr Pagel! Sehen Sie mich nicht so an, ich habe Ihnen alles gesagt. Ganz bestimmt!«
»Und der Diener quält Sie? Wie quält er Sie?«
»Er ist gemein – er sagt gemeine Sachen, und er steckt mir gemeine Bücher unters Kopfkissen.«
»Was für Bücher?«
»Ich weiß doch nicht – von der Ehe, mit Bildern …«
»Kommen Sie«, sagt Pagel und faßt wieder ihren Arm. »Seien Sie mutig. Jetzt gehen wir zu Ihren Eltern und sagen ihnen alles. Sie sind in den Händen von lauter Lumpengesindel; die quälen Sie, bis Sie nicht mehr ein noch aus wissen – bestimmt, Ihre Eltern verstehen das. Jetzt sind sie ja nur mitIhnen böse, weil sie fühlen, Sie lügen … Kommen Sie, gnädiges Fräulein, seien Sie mutig – ich bin doch von uns beiden der Feigling.« Und er lächelt ihr ermutigend zu.
»Bitte, bitte, lieber, lieber Herr Pagel, tun Sie das nicht!« Ihr Gesicht ist von Tränen überströmt, sie hat seine Hände gefaßt, als wolle er ihr fortlaufen mit der schlimmen Botschaft, sie streichelt ihn … »Wenn Sie es meinen Eltern sagen, ich schwöre Ihnen, ich gehe ins Wasser … Wozu wollen Sie es ihnen denn
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