Wolf unter Wölfen
und Absichten, die ruhige, achtungsvolle Verehrung Herrn von Studmanns tat ihr einfach gut; nach der Sturzflut von Unruhe, Streit, Hast der letzten Jahre ließ sie sich zufrieden von dem ruhigen Strom der Zuverlässigkeit und Ordnung, der von Studmann ausging, schaukeln und wiegen.
Aber es ist einzusehen, daß eine so vielseitig beschäftigte Mutter nicht genug Zeit für ihre Tochter haben konnte. Zuerst hatte Frau Eva noch den Versuch gemacht, Violet auf ihren Fahrten über das Feld, bei ihren Gängen zum Büro mit sich zu nehmen. Aber das hatte sich bald gegeben. Bei engerem, längerem Zusammensein hatte sich herausgestellt, daß das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter eine ernstliche Trübung erfahren hatte. Mit Besorgnis sah Frau Eva, daß Weio gereizt alles ablehnte, was von ihr kam. Sagte sie, das Wetter sei heute schön, so fand Violet es drückend; schlug sie vor, Violet solle doch einmal wieder baden gehen, so fand Violet Baden öde. Es war nichts zu machen, es war ein Widerstand da, eine Kampfstellung, etwas wie ernstliche Feindschaft.
Vielleicht habe ich ihr wirklich unrecht getan, überlegte Frau von Prackwitz. Vielleicht war da gar nichts – irgendeine harmlose Jungmädchengeschichte – von irgendeinem Fremdenhat man ja wirklich nichts mehr gehört. Und sie ist nun tödlich in ihrer Mädchenehre gekränkt. Nun, dann ist es das beste, ich erzwinge nichts, sondern lasse ihr Zeit. – Eines Tages wird sie doch wieder zu mir kommen.
Weio hatte also ihre Freiheit zurück, von Stubenarrest war nicht mehr die Rede. Aber was sollte sie nun mit sich anfangen? Wie leer dieses Leben geworden war! Sie konnte doch nicht ewig so weiter warten! Bei dem Gedanken, ein, zwei, drei Jahre zu warten – und vielleicht vergeblich zu warten, schauderte sie. Dann lieber noch …, dachte sie. Aber sie wußte nicht, was lieber noch. Tod, der erste beste – sie wußte es nicht. Es mußte nur etwas geschehen! Aber es geschah nichts, rein gar nichts!
In den ersten Tagen ihrer wiedergewonnenen Freiheit war sie an all die alten Plätze gelaufen, wo sie mit Fritz gewesen war. Halbe Tage war sie im Walde auf und ab gegangen, dort, wo sie ihn einmal getroffen hatte. Die Stellen waren noch da, wo sie im Gras gelegen hatten, sie erinnerte sich an jede einzelne … Es war, als habe sich das Gras eben erst wieder aufgerichtet, als sei das Moospolster eben erst wieder glatt geworden – aber er kam nicht mehr. Manchmal schien es, als sei er nie mehr gewesen als ein Traum!
Sie war auch in den Schwarzen Grund gegangen, nach langem Suchen hatte sie die geschickt verborgene Stelle gefunden, wo die Waffen vergraben waren. Lange ging sie dort auf und ab, er mußte doch einmal kommen und nachsehen, ob das Geheimnis noch unverletzt war – er kam nicht!
Manchmal traf sie auf ihren Wegen im Walde den alten Förster Kniebusch. Er schüttete ihr sein Herz aus. Nun hatten sie ihn dem Wilddieb Bäumer gegenübergestellt, der Lump mußte Wind bekommen haben von den Prahlereien des Försters. Er, der nicht einen Augenblick bei Bewußtsein gewesen war, nach seinem Sturz vom Rade, behauptete frech, der Förster habe ihn vom Rad geworfen, mit dem Kopf viele Male auf den Stein gestoßen, ihn totschlagen, umbringen wollen! Sie hatten den alten Mann hart angefahren, sie hattenihm gesagt, nur sein Alter schütze ihn vor sofortiger Haft. Von dem gewilderten Rehbock war nicht die Rede, erst sollte einmal der Totschlagversuch an dem Bäumer verhandelt werden! Und unterdessen lebte dieser Wilddieb wie ein Fürst im Krankenhaus, er hatte sein gutes Essen, fürsorgliche Pflege, ein Sonderzimmer, allerdings mit Gittern vor den Fenstern – es war ihm in seinem Leben noch nicht so gut ergangen, dem Lump, dem infamen!
Gelangweilt hörte Violet dies Gejammer an. Der Förster mußte ja selber wissen, was er von dem Gerede über einen Heldenkampf mit dem Wilderer Bäumer verantworten konnte! Sie hört erst wieder hin, wie der Förster berichtet, daß er auch den kleinen Inspektor Meier in Frankfurt getroffen hat. Doch der kleine Meier ist gar kein kleiner Mann mehr, er scheint ein großer Mann geworden zu sein, er hat Geld, viel Geld!
Der Förster schildert ausführlich, wie der Herr Meier gekleidet war, seine Eleganz, die kostbaren Ringe an seinen Fingern, eine goldene Uhr mit Sprungdeckel! Aber der kleine Herr Meier ist nicht hochmütig geworden, er hat den Förster zu einem Abendessen eingeladen, in ein feines Weinlokal. Es hat Rheinwein gegeben, und nachher
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