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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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keinem Menschen ein Wort reden kann –?! Jawohl, der junge Herr hat geschrieben, er ist jetzt auf dem Lande, auf einem großen Gut, so etwas wie Lehrling. Aber er hat ziemlich viel Verantwortung, ich verstehe nichtsdavon – das mußt du selber lesen, der Brief liegt auf dem Kaffeetisch. Es geht ihm gut, und er läßt dich grüßen, und es ist wahrhaftig der erste Brief seit, ich weiß nicht wie lange, wo er kein Wort von Geld schreibt. Und bei der Entwertung könnte ich es ihm nicht mal übelnehmen, selbst wenn er das Geld von dem Bild noch hätte, wäre es nichts mehr wert! Er schreibt mächtig fidel, so fidel hat er noch nie geschrieben; es muß da eine Masse komische Menschen geben, aber er scheint mit allen gut auszukommen. Nun, du wirst es ja selbst lesen, Minna, warum soll ich dir das alles erzählen? Dabeibleiben bei der Landwirtschaft will er aber doch nicht, soviel Spaß es ihm macht; er schreibt, es ist so eine Art Sanatorium. Mir soll es recht sein, und wenn er wirklich Taxichauffeur wird, ich rede ihm nicht mehr rein. – Aber antworten tu ich ihm nicht, das kommt natürlich gar nicht in Frage, ich habe nicht vergessen, wie Sie mir gesagt haben, ich habe ihm alles zu leicht gemacht. – Und dabei sind Sie’s gewesen, die ihm immer die Bonbons zugesteckt hat, wenn er mal brüllte, Sie alte Superkluge! Ich hab gedacht, Sie antworten ihm erst einmal, und dann werden wir ja sehen, ob er gleich wieder schmollt und beleidigt ist. Dann ist es noch nichts mit dem Gesundwerden. Und, Minna, er möchte auch gern, daß wir eine Erkundigung einziehen. – Es ist mir nicht recht, nein, es ist mir gar nicht recht, aber ich rede ihm nicht wieder rein, und so können Sie sich heute nachmittag freinehmen und mal hören. Und heute abend schreiben Sie ihm sofort; wenn der Brief heute noch in den Kasten kommt, hat er ihn morgen. Aber vielleicht ist da Landbestellung, dann wird es einen Tag später. Übrigens, einen Gruß könnte ich vielleicht doch drunterschreiben …«
    »Gnä’ Frau«, sagte Minna und sah mit gefährlich blitzenden Augen den Frühstückstisch an, den Brief aber gar nicht. Denn allmählich hatte sie ihre immer weiter redende Herrin mit sich aus dem Vorplatz über den Flur ins Speisezimmer gezogen. »Gnä’ Frau – und wenn Sie sich jetzt nicht sofort hinsetzen und nicht Ihr Ei und mindestens zwei Schrippenessen, dann lese ich den Brief nicht, und dann schreibe ich auch keine Antwort heute abend … Das ist doch nun wirklich die reine Unvernunft: erst essen Sie aus Kummer nichts, und dann essen Sie aus Freude nichts, und dann verlangen Sie noch, daß Wolfgang ein ruhiger, vernünftiger Mensch ist …«
    »Hör auf, du redest einen ja tot, Minna!« befahl die gnädige Frau. »Lies jetzt den Brief, ich esse ja schon …«
    Aber obwohl Frau Pagel wirklich gut zum Frühstück aß und auch mittags der Neunzigmillionenforelle alle Ehre antat, an diesem Tage wurde die Antwort an Wolfgang Pagel noch nicht geschrieben.
    So leicht war die erbetene Auskunft nicht einzuziehen, so leicht war die Spur aus der Georgenkirchstraße in die Fruchtstraße nicht zu finden.
    Minna mußte auf ihrer Irrfahrt durch die Meldeämter Berlins noch manchen Weg machen, noch manche Stunde geduldig auf Auskunft warten, fragen und sich fragen lassen, hierhin und dorthin geschickt werden, bis sie schließlich doch recht verwundert vor dem großen Plankenzaun stand, auf dem, neben den üblichen Kreidemalereien der Kinder: »Wer dies liest, ist dohf«, in großen weißen Buchstaben gemalt stand: »Emil Krupaß Wwe., Produktenhof«.
    Hier? fragte sich Minna zweifelnd und ein bißchen verzweifelt, da haben sie mich doch bestimmt wieder falsch geschickt! Und sie spähte ärgerlich durch das Tor auf den großen Hof, der mit seinen Bergen aus rostigem altem Eisen, seinen verschmutzten Flaschenbatterien und den alten geplatzten Matratzenhaufen wirklich nicht sehr einladend aussah.
    »Obacht!« schrie ein junger Bengel und rasselte mit seinem Hundegespann haarscharf an ihr vorüber auf den Hof. Zögernd folgte ihm Minna. Aber auf ihre Frage in einem Schuppen nach Fräulein Ledig wurde ihr ganz bereitwillig geantwortet: »Ist bei den Lumpen. Dahinten – die schwarze Baracke!«
    Minna ging schon williger, erwägend: Das arme Ding! Siewird auch ihre Not haben, ihr bißchen Lebensunterhalt sich zusammenzurackern.
    Minna fand, es sah fürchterlich dreckig aus in der alten Baracke, und noch fürchterlicher stank es. Mit einem Wohlgefühl dachte sie

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