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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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können sicher sein: wäre ich sein Vorgesetzter, ich brächte das fette Kind ein bißchen auf den Trab!«
    »Sehr tüchtig«, hatte Pagel unbeirrt gesagt. »Und schlau. Und fleißig. Nun, Sie werden es noch einsehen.«
    Jawohl, Wolfgang Pagel war der einzige, der an die Meriten dieses unausstehlichen Hanswurstes glaubte, und daher kam es wohl auch, daß die beiden sich gut vertrugen, ja, der meckrige Marofke hatte einen richtigen Affen an dem jungen Pagel gefressen.
    Auch an diesem Morgen war Pagel, ehe er auf das Feld hinausfuhr, bei der Schnitterkaserne vom Rad gestiegen und hatte dem Oberwachtmeister einen kleinen Besuch abgestattet. Herr Marofke war für solche Höflichkeiten sehr empfänglich.
    Er saß an seinem Tisch, hatte einen dunkelroten Kopf und starrte auf einen Brief, den ihm wohl eben der Postbote gebracht hatte. Pagel warf nur einen Blick auf den Kleinen, er sah, es saß Sturm in der Wolke, er fragte harmlos: »Na, was Neues im Westen, Ober?«
    Der Kleine sprang so plötzlich auf die Füße, daß der Stuhl krachend umfiel. Klatschend schlug er auf den Brief, er rief: »Jawohl, Neues! Aber nichts Gutes! Abgelehnt, Fähnrich, mein Antrag auf Ablösung ist abgelehnt!«
    »Wollten Sie denn weg von uns?« rief Pagel erstaunt. »Davon weiß ich ja gar nichts!«
    »Ich weg? Unsinn! Ich werde mich doch nicht von so einem schwierigen Posten ablösen lassen! Ich ein Drückeberger? Nee, Fähnrich, nie gewesen – die Leute können über mich reden, soviel sie wollen! Nein«, sagte er ruhiger, »Ihnen kann ich es ja erzählen, Sie halten dicht. Ich hatte beantragt, fünf Leute abzulösen, weil sie mir nicht mehr sicher scheinen. Und die Bürofatzken lehnen es mir ab – mein Antrag sei nicht begründet! Die brauchen erst einen totgeschlagenen Beamten auf ihrem Büro – dann haben sie ihre Begründung, dann sind sie froh! – Affen!!«
    »Aber es ist doch alles ganz ruhig und friedlich«, sagte Pagel beruhigend. »Mir ist nicht das geringste aufgefallen. Oder hat sich heute nacht was ereignet?«
    »Bei Ihnen muß sich auch erst was ereignen«, knurrte der Oberwachtmeister mürrisch. »Wenn sich in einem Zuchthauskommando was ereignet, junger Mann, dann ist es auch schon zu spät. Aber Ihnen nehme ich es nicht übel, Sie haben keine Erfahrung, und Sie verstehen nichts von Zuchthäuslern … Nicht einmal meine Kollegen sehen etwas – sie haben ja erst heute früh wieder gesagt, bei mir piept es – lieber bei mir piepen, als eine Nachteule sein, die bei Tage nichts sieht!«
    »Aber was in aller Welt ist denn los?« fragte Pagel, erstaunt über soviel Ingrimm. »Was haben Sie denn gefunden, Herr Oberwachtmeister –?«
    »Nichts!« sagte der Oberwachtmeister dumpf. »Keinen Zettel, keinen Dietrich, kein Geld, keine Waffe – nichts, was auf Flucht oder Aufruhr hindeutet. Aber doch stinkt es! Ich rieche es seit Tagen, ich merke doch so was, es ist mulmig, irgend etwas geht vor …«
    »Aber warum denn? Woran merken Sie das –?!«
    »Ich bin über fünfundzwanzig Jahre im Zuchthaus«, gestand Herr Marofke und fand nichts dabei. Im Gegenteil! – »Ich kenne meine Leute. Mir sind in meiner ganzen Dienstzeit drei Mann ausgerissen. Bei zweien hatte ich keineSchuld, und beim dritten war ich erst ein halbes Jahr im Dienst, da weiß man noch nichts. Aber heute weiß ich was, und ich schwöre Ihnen: die fünf haben was vor, und ehe ich sie nicht aus meinem Kommando raus habe, ist mein Kommando nicht sauber!«
    »Welche fünf denn?« fragte Pagel. Er hatte den Eindruck, der Oberwachtmeister bildete sich was ein.
    »Ich habe beantragt, folgende Leute abzulösen«, sagte Marofke feierlich: »Liebschner, Kosegarten, Matzke, Wendt, Holdrian …«
    »Aber das sind doch grade unsere umgänglichsten, intelligentesten, anstelligsten Leute!« rief Pagel erstaunt. »Bis auf den alten Wendt – der ist ein bißchen doof.«
    »Den haben sie nur mit drin als Sicherheitsventil. Den lassen sie hochgehen, wenn Gefahr am Mann ist. Der Wendt ist gewissermaßen deren Reugeld, aber die andern vier …« Er seufzte. »Ich habe alles versucht, sie auseinanderzubringen. Ich habe sie verlegt, keiner schläft mehr in einem Zimmer mit den andern, ich lasse sie nicht zusammen sitzen. Ich zieh den einen vor und behandele den andern schlecht. Das macht sie sonst wütend – aber nein, kaum drehe ich den Rücken, stecken sie wieder zusammen, tuscheln miteinander …«
    »Vielleicht mögen sie sich einfach leiden?« schlug Pagel vor. »Haben Freundschaft

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