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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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noch fünf Wochen und sechs Tage, und so weiter und so weiter, und womöglich kriegen wir eure Kartoffeln bis zum ersten November gar nicht raus!«
    »Und da sind dann noch die Rüben!« hatte Pagel heimtückisch gesagt.
    Aber es war nicht richtig gewesen, zu dem Manne heimtückisch zu sein. Er war kein Angsthase, das bewies sein Vorhaben für heute mittag. Dazu gehörte schon eine ziemliche Portion Entschluß und Courage. Vielleicht piepte es wirklich ein bißchen bei ihm, fünfundzwanzig Jahre Zuchthausdienst konnten einen Mann wohl etwas verdreht machen. Aber Pagel war sich dessen nicht ganz sicher. Er fand, dieser Oberwachtmeister Marofke beobachtete scharf, dachte klar. Er nahm sich vor, heute auf dem Felde die Augen gewaltig aufzutun und festzustellen, ob diese Beobachtungen richtig oder falsch seien.
    Worauf ihn die Ereignisse binnen fünf Minuten darüber belehren sollten, was seine Beobachtungen wert waren und was Laienhilfe bei Zuchthäuslern nützte.
    Er lehnte sein Rad gegen einen Straßenbaum am Feld, nebenbei gesagt, auch etwas, was ihm der Oberwachtmeister streng untersagt hatte. Denn das ohne Aufsicht stehende Rad konnte die Flucht eines Mannes begünstigen – aber für diesmal hatte die Leichtfertigkeit des jungen Pagel keine weiteren Folgen. Er ging die Kartoffeldämme entlang quer über das Feld auf das Kommando zu. Die Leute arbeiteten in einer langen Kolonne nebeneinander, auf den Knien weiterrutschend, am Aushacken und Einsammeln der Kartoffeln. VierMann gingen aufrecht hin und her, sie schütteten die vollen Körbe in Säcke und gaben sie entleert den Buddlern zurück. Die vier Beamten standen hinter der Kette, in der etwas gleichgültigen Pose von Leuten, die Tag für Tag zehn Stunden lang ein Ereignis fürchten müssen, das doch nie eintritt. Zwei von den Wachtmeistern hielten ihre Karabiner unter dem Arm, zwei hatten sie umgehängt – das war auch von Marofke verboten, und darum fiel es Pagel auf. Die Leute sammelten gerade von einer Hügelkuppe in eine Mulde hinab, die von älteren Fichtenschonungen begrenzt war. Die Mulde war verunkrautet, dazu war das Kraut hier, wo sich alles Wasser gesammelt hatte, noch halb grün, es buddelte sich schlecht.
    Das riefen die Leute auch sofort Pagel zu: »Das ist Mist hier, Herr Inspektor! – Man kommt gar nicht voran! – Die Kartoffeln sind hier noch ganz grün. – Bloß, daß Sie Tabak an uns sparen!«
    Pagel hatte zur Belebung des Fleißes eingeführt, daß für ein bestimmtes Zentnerergebnis eine Tabakszulage gegeben wurde.
    »Nun, wir wollen mal sehen, was sich machen läßt«, rief Pagel vertröstend und ging auf den nächsten Beamten zu. Er grüßte und stellte ihm gleich wieder die Frage, die ihm heute stets auf der Zunge lag: »Alles in Ordnung?«
    »Natürlich«, antwortete der junge Hilfswachtmeister gelangweilt. »Was soll denn nicht in Ordnung sein?«
    »Ich frage ja nur … Es buddelt sich hier schlecht?«
    »Marofke hat Ihnen wohl einen Floh ins Ohr gesetzt? Bei dem piept’s ja! Immer meckern und stänkern! So wie dies Kommando hat es keines: Essen in Ordnung, Baracke in Ordnung, Rauchen in Ordnung – aber er kann keine Ruhe halten. Man kann es auch übertreiben!«
    »Was übertreiben –?«
    »Herr Wachtmeister!« rief ein Gefangener in das Gespräch. »Darf ich mal austreten?«
    Der Wachtmeister warf einen gelangweilten Blick auf ihn, dann auf die Reihe. »Los, Kosegarten!«
    Der Gefangene warf einen vergnügt-vertraulichen Blick auf Pagel, trat hinter die Reihe und knöpfte grinsend seine Hosen ab. Dann hockte er sich hin, die Augen weiter auf Pagel gerichtet, der eine halbe Drehung machte, um diesen Anblick nicht ständig vor Augen zu haben.
    »Wieso übertreiben –?« fragte der Hilfswachtmeister. »Weil Marofke sich beim Direktor anschmieren will! Er hat geschworen, er bringt jeden Mann fünfundzwanzig Pfund schwerer wieder nach Meienburg. ›Und wenn wir das Gut arm fressen!‹ hat er gestern erst wieder gesagt. ›Ich schimpf immer weiter übers Essen, die können gar nicht gut genug kochen!‹«
    Pagel hatte keine Zeit mehr, auf diese Denunziation zu antworten. Das Gesicht des Hilfswachtmeisters veränderte sich in einem plötzlichen Schreck – »Halt!« brüllte er und riß den Karabiner von der Schulter …
    Pagel fuhr herum, grade sah er noch den Gefangenen Kosegarten, der eben sein Geschäft verrichtet hatte, in die Fichten springen …
    »Aus dem Weg!« brüllte ihn der Wachtmeister an und schlug Pagel mit dem

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