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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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geschlossen –?«
    »Im Zuchthaus gibt es keine Freundschaften«, erklärte der Oberwachtmeister. »Im Zuchthaus ist immer einer des andern Feind. Wenn da zweie zusammenhalten, sind sie Verschwörer – für einen bestimmten Zweck. Nein, es stinkt, Fähnrich, wenn ich Ihnen das sage, ich, der Oberwachtmeister Marofke, so können Sie mir das glauben!«
    Eine Weile waren sie stumm. »Ich fahre jetzt raus zu den Leuten«, sagte Pagel schließlich, um fortzukommen. »Ich werde meine Augen aufhalten, vielleicht sehe ich was.«
    »Ach, was wollen Sie denn sehen!« sagte der Oberwachtmeister wegwerfend. »Das sind doch ausgekochte Jungen – die bringen noch einen alten Kriminalkommissar ins Schwitzen.Ehe Sie was sehen, liegen Sie schon da mit einem Loch im Schädel. Nein«, sagte er nachdenklich, »ich habe mir das überlegt. Wo die jetzt meinen Antrag abgelehnt haben, gehe ich aufs Ganze. Ich mache heute mittag einen Aufruhr, ich streue ihnen Salz ins Essen, richtig, wörtlich, ich versalze denen ihren Fraß so, daß sie ihn nicht runterkriegen. Und dann zwinge ich sie zu essen und reize sie und bedrohe sie, bis sie meutern, und dann habe ich einen Grund, dann greife ich mir meine fünfe heraus und schicke sie als Meuterer zurück. Das kostet sie dann noch ein, zwei Jahre Zusatzstrafe!«
    Er kicherte höhnisch.
    »Verdammt!« rief Pagel erschreckt. »Das kann aber schiefgehen: fünf Mann gegen fünfzig in der engen Bude!«
    »Fahnenjunker!« sagte der Oberwachtmeister und kam dem jungen Pagel gar nicht mehr lächerlich vor, »wenn Sie bestimmt wissen, es will Sie jemand von hinten anspringen, was tun Sie? Sie drehen sich um und springen den Kerl an! Ich bin so, ich laß mich lieber von vorne als von hinten totschlagen.«
    »Ich werde heute mittag mit meiner Knarre rüberkommen!« sagte Pagel eifrig.
    »Das werden Sie hübsch bleibenlassen!« knurrte der Oberwachtmeister. »Bei so ’ner Sache kann ich keinen unerfahrenen Hasen brauchen, eine Minute, und der nächste Ganove hat Ihre Knarre, und dann: Leb wohl, mein Vaterland! – Nee, fahren Sie jetzt man los, ich muß über meine Tischordnung nachdenken, daß ich die lautesten Schreier direkt bei meinem Gummiknüppel zu sitzen habe …«

4
    Von der festen Überzeugung eines Mannes geht ein Fluidum aus, das auch den Gegner beeinflußt. Sehr nachdenklich fuhr Wolfgang Pagel die nun schon so bekannten Wege zum Außenschlag 9 hinaus, auf dem die Kartoffelernte in Gang war. Von Zeit zu Zeit kam ihm ein Kastenwagen voller Kartoffelnentgegen, dann sprang er vom Rad und erkundigte sich bei dem Knecht, wie die Kartoffeln lohnten. Ehe er sich aber wieder aufs Rad schwang, fragte er noch beiläufig: »Alles in Ordnung draußen?« Aber was sollte eigentlich solche Frage? Natürlich war alles in Ordnung draußen, der Pferdeknecht brummelte auch nur etwas Unverständliches zur Antwort.
    Pagel fuhr weiter. Man soll sich von Gespenstersehern nicht anstecken lassen!
    Es war ein schöner Herbsttag ausgangs September. Ein wenig frisch, der Ostwind – aber in der Sonne und im Windschutz noch recht behaglich warm. Pagel hatte jetzt völligen Windschutz, er fuhr durch Wald; Außenschlag 9, der entfernteste von allen Schlägen des Gutes, stieß mit einer Längs- und einer Schmalseite an Wald. Die andere Schmalseite grenzte schon an Birnbaumer Feld. Leise mit der Kette schnurrend, sonst ganz lautlos, fuhr das Rad über die Waldwege. Natürlich war draußen alles in Ordnung, aber Pagel mußte zugeben, daß Außenschlag 9, ein halbes Dutzend Kilometer vom Gutshof, im Walde versteckt, weitab von jeder anderen Ortschaft, eine treffliche Gelegenheit für unerlaubte Unternehmungen der Zuchthäusler abgeben konnte.
    Unwillkürlich trat er die Pedale kräftiger und bremste gleich wieder, über sich selbst lächelnd. Er wollte sich doch nicht anstecken lassen. Seit einer Woche arbeiteten die Zuchthäusler schon draußen, und es war nichts passiert! Also war es Unsinn, schneller zu treten, nur um fünf Minuten eher draußen zu sein: wenn in sechs Arbeitstagen nichts passiert war, würde nicht gerade in diesen fünf Minuten sich etwas ereignen.
    Pagel versuchte sich vorzustellen, wie überhaupt etwas geschehen konnte. In vier Abteilungen zu je zwölf und dreizehn Mann arbeiteten die Zuchthäusler auf dem freien Feld, zehn Schritte hinter jeder Gruppe stand ein Wachtmeister, den geladenen Karabiner in der Hand. Vor ihm, immer unter seinen Augen, lagen auf den Knien die Leute. Nicht einmalaufstehen durfte

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