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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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nach. Ganz gemütlich und zufrieden. Es wäre wirklich falsch, zu glauben, er habe einen Ärger auf den Rittmeister. Nicht die Spur! Die Menschen sind so, wie sie sind. Die närrischen Menschen geben einen ausgezeichneten Hintergrund für Petra ab. Je närrischer die andern sind, um so klarer hebt sich dies Mädchen von ihnen ab. Mit einem Gefühl tiefverbundener Zärtlichkeit denkt Wolfgang an seinen Peter. Dies Gefühl wird immer stärker. Es ist nicht soviel Sehnsucht und Verlangen darin wie Freude, seit er von Minna erfahren hat, daß er Vater werden wird. Es ist ein seltsames Gefühl. Es ist eine verdammte Zeit, ein Vierteljahr noch, genau vierundneunzig Tage, bis sie ihm erlaubt, zu ihr zu kommen! Mittlerweile denkt er darüber nach, was sie alles schon gemeinsam erlebt haben, wie das war und was dann geschah. Eine gute Sache! Aber auch komisch! Als er mit Petra zusammen lebte, da hat er eigentlich wenig an sie gedacht, da drehte sich alles um das Spiel. Nun er in Neulohe wohnt, lebt er eigentlich hauptsächlich bei der Pottmadamm. Komisch! Ob wohl einmal eine Zeit im Leben kommt, wo man das Gefühl hat, Erleben und Dabeisein fallen zusammen –? Wo man spürt: Jetzt bist du so glücklich, wie du in deinem ganzen Leben nicht wieder sein kannst? In der Sekunde des Erlebens! Nicht so, daß man erst hinterher entdeckt: Damals war ich glücklich! Wie wir einst so glücklich waren –? Nicht so!
    Komisch und gefährlich! Pagel flötet nachdenklich vor sich hin. Einen Augenblick lang überlegt er, ob es gut für den Fang von Zuchthäuslern im Walde ist, wenn man dabeiflötet? Ob sie vor seinem Flöten ausreißen oder ob sie eine Attacke auf ihn machen werden, sein Geld, seine Kleidung, seine Pistole zu erobern?! Das Gesicht Marofkes mit den zitternden Hängebacken erscheint einen Augenblick. Aber dann denkt er trotzig: Laß die Brüder nur kommen! Er umfaßt den Kolben seiner Pistole in der Hosentasche und flötet lauter.
    Jawohl, es ist komisch und gefährlich, immerzu nur an die Liebste zu denken, sie mit allen andern zu vergleichen – und nur zu ihrem Vorteil! Pagel fragt sich wieder einmal, ob das Bild, das er sich jetzt von Peter macht, überhaupt noch stimmt? So ganz in Gold, das geht doch auch nicht! Sie muß auch Fehler haben, und wenn er sucht, findet er sehr wohl welche. Da ist zum Beispiel ihre Neigung, stumm zu werden, wenn ihr etwas nicht paßt, wenn etwas sie ärgert. Er fragt sie, was ihr ist? Ihr ist nichts. Aber er sieht doch, sie hat etwas! Hat er was falsch gemacht? Nein, ihr ist bestimmt nichts. Eine Viertelstunde muß man auf sie einreden, man kann rasend dabei werden, tobsüchtig von ihrem ewigen »nichts«, man sieht es doch! – Nun schön, da hätten wir einen Fehler. Übrigens wird er ihn ihr abgewöhnen. Ein Mädel wie Peter darf überhaupt keine Fehler haben. Mit ihm ist es eine andere Sache, er ist so fehlerhaft, daß es das Anfangen mit Ausbessern nicht verlohnt …
    Pagel ist in Gedanken weiter und weiter gegangen. Längst ist er über den Kartoffelschlag hinaus, er dringt in immer fernere, fremdere Bezirke des Waldes vor. Von den Zuchthäuslern hat er nichts gesehen, und von den Gendarmen hat er auch nichts gesehen. Nicht einmal einen Laut hat er von ihnen gehört. Aber er geht trotzdem weiter, er beschließt bei sich, einen netten Spaziergang zu machen, statt sich diesem albernen Treiben anzuschließen. Denn es muß albern sein, entscheidet Pagel, selbst auf die Gefahr hin, dem großen Oberlandjägermeister zu nahe zu treten, falls dieses Treiben dessen Erfindung sein sollte. Wälder über Wälder, stundenauf, stundenab, verwachsene Dickungen, Schonungen ausTausenden von kleinen, sperrigen Fichten, anderthalb Mann hoch, einen Mann hoch, über Hunderte von Morgen hin, Tannenschluchten so dunkel, daß man am hellerlichten Tage kaum seine Hand vor Augen sehen kann – und in dieser Wildnis soll man fünf Männer finden, gewitzte, zu allem entschlossene Männer, die ihren ganzen Witz auf den einen Punkt konzentrieren werden, sich nicht finden zu lassen! Unsinn! Barer Unsinn – hier im Walde sieht man erst, wie unmöglich die Durchführung einer solchen Aufgabe ist. Pagel wird schön allein weitergehen, statt mit denen zwischen Dornen und Wacholder herumzukriechen!
    Also geht er schön allein weiter, und wie er um die nächste Ecke geht, sagt er: »Hoppla!« und ist nicht mehr allein. Denn da kommt ein kleiner Mann im Gehpelz auf ihn zugegangen, das heißt, zugegangen ist nicht ganz das

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