Wolf unter Wölfen
wieder böse an, er murmelt: »Sie können mich auch ruhig allein laufen lassen. Helfen tun Sie mir doch nicht.«
»Ich hab Angst, Ihnen könnte doch was passieren«, sagt Pagel höflich. »Die schönen Ringe, das viele Geld …«
»Mir passiert nichts, habe ich Ihnen doch schon gesagt. Wer klaut hier im Walde Ringe?«
»Zuchthäusler!« sagt Pagel ruhig und beobachtet seinen Mann scharf.
Aber Meier zuckt nicht, dem Meier ist nichts anzumerken. »Zuchthäusler? Was denn für Zuchthäusler?«
»Unsere, von unserm Arbeitskommando«, sagt Pagel und ist überzeugt, daß er mit seinem Verdacht unrecht hatte. (Aber was tut der kleine Meier dann hier im Walde?) »Uns sind nämlich von unserm Arbeitskommando heute früh fünf Mann ausgerissen.«
»Gottverdammich!« schreit Meier, und sein Schreck ist echt. »Und die stecken hier im Walde?! Mensch, Sie machen Witze – Sie laufen doch hier auch so rum …«
»Gar nicht!« sagt Pagel und zieht die Pistole halb aus der Tasche. »Und außerdem suche ich die Gendarmen. Eine halbe Hundertschaft stöbert nämlich im Wald.«
»Jetzt schlägt’s dreizehn«, sagt Meier und bleibt überwältigt stehen. »Fünf Zuchthäusler und fünfzig Laubfrösche – und ich mittendrin mit meinem Knatterkasten! Das kann ins Auge gehen … Herr, Mensch, in drei Minuten muß ich meinen Wagen haben! Wie hieß es doch? Jetzt habe ich’s! Schwarzer Grund – kennen Sie das?«
Pagel hat den Eindruck, als habe der kleine Meier immer diesen Namen gewußt, habe ihn nur nicht nennen wollen. Und auch jetzt sieht ihn Meier argwöhnisch an. Aber warum eigentlich, es ist eine Forstbezeichnung wie alle andern auch!!
»Dagewesen bin ich noch nicht«, sagt er. »Aber ich hab’s auf der Karte gelesen. Das liegt ganz nach Birnbaum zu, und wir suchen immer in Richtung Neulohe.«
»Idiot ich!« Meier schlägt sich mit der Faust gegen den Kopf. »Also los, Mensch, wie heißen Sie doch –?«
»Pagel.«
»Machen Sie auch die Augen auf, aber hier in dem Sand findetja sogar ein Regenwurm ’ne Autospur! So lang? Schön, aber gehen wir so lang auch wirklich richtig?«
»Ja, ja«, beruhigt ihn Pagel. »Aber warum sind Sie denn plötzlich so furchtbar aufgeregt? Ich denke, Ihnen passiert nichts?«
»Na, Mensch, Sie möchte ich sehen! Wenn mir das zerplatzt! Verdammt noch mal! Ich muß auch ewig Pech haben! Der elende Suff …«
»Was denn zerplatzt?«
»Was geht denn Sie das an?!«
»Ich möchte es gerne wissen.«
»Dann fragen Sie im Fragekasten von der Zeitung bei der Klugen Mathilde an!«
»Es ist nämlich noch gar nicht ausgemacht, daß wir jetzt wirklich zum Schwarzen Grund gehen.«
Meier bleibt stehen, er starrt den jungen Pagel haßerfüllt an. Er möchte ihm sicher jetzt gerne etwas tun, aber er besinnt sich, er knurrt: »Was möchten Sie denn wissen?«
»Warum haben Sie es plötzlich so eilig?«
Meier überlegt, unwirsch sagt er: »Ich habe ein Geschäft in Frankfurt.«
»Das haben Sie vor fünf Minuten auch gehabt, und da hatten Sie es gar nicht eilig.«
»Lassen Sie sich Ihren neuen Wagen gerne von Zuchthäuslern klauen? Wenn es auch nicht so ein piekfeiner Horch wie von Ihrem Rittmeister ist, sondern bloß ein Opel-Laubfrosch.«
»Sie haben auch einen Schreck gekriegt, wie ich von den Gendarmen geredet habe.«
»Nein!«
»Doch!«
»Also: Ich habe noch keinen Führerschein. Und überhaupt, ich habe nicht gern mit der Polizei zu tun.«
»Wegen Ihrer Geschäfte?«
»Also ja! Meinethalben – ich schiebe ein bißchen.«
Pagel sieht den kleinen, häßlichen Menschen prüfend an.All das kann stimmen; aber wahrscheinlicher ist es, daß es nicht stimmt, daß der Kerl lügt.
»Und was machen Sie heute hier, in unserm Walde?« fragt er.
Aber Meier ist viel zu schlau. Diese Frage hat er längst kommen sehen. Er verflucht innerlich sein betrunkenes, rachegieriges Gefasel wegen des Leutnants. Aber seit er gesehen hat, daß Pagel bei den Worten »Schwarzer Grund« nicht zusammengezuckt ist, seit er weiß, daß Pagel nichts weiß, ist er siegesgewiß.
»Was ich hier in euerm Walde tue?« fragt er. »Sie sollten’s eigentlich nicht wissen, aber Sie werden das Maul halten. Euern Förster habe ich euch wiedergebracht, euern Kniebusch. Voll wie eine Strandkanone pennt er in meinem Wagen.«
»War der Förster nicht in Frankfurt zum Termin –?«
»Richtig! Sie haben’s erfaßt!« Meier ist wieder ganz obenauf. »Aber nun lassen Sie uns losgehen, richtig nach dem Schwarzen Grund. Euer Förster
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