Wolf unter Wölfen
kalten, ein wenig bösen Ton. »Sie fahren morgen unter allen Umständen nach Frankfurt und besorgen das Pachtgeld, aber nicht mehr.«
»Jawohl.«
»Was Ihnen auch gesagt wird: Sie fahren und holen nur das. Das ist ausgemacht?«
»Bestimmt!«
»Sie händigen Herrn von Prackwitz morgen abend dasGeld zur Bezahlung der Pacht aus –. Verstehen Sie, Herr von Prackwitz soll das Geld meinem Vater selber geben. Sie verstehen …?«
»Jawohl.«
»Warten Sie. Prackwitz hat übermorgen eine kleine Reise vor. Nun, das ist nicht unsere Sache. Er kann das Geld morgen abend übergeben. Sie verstehen mich –?«
»Nicht ganz, aber …«
»Schön, schön. Wenn Sie sich nur an das halten, was ich Ihnen sage … Herr von Prackwitz bekommt rechtzeitig das Geld zur Pachtzahlung, das genügt. Sie lassen sich vielleicht eine kleine Quittung geben –?«
»Wenn Sie es wünschen«, sagt Herr von Studmann zögernd. »Prackwitz und ich haben sonst nicht …«
»Natürlich sonst nicht. Aber jetzt!« sagt sie scharf. Sie steht auf. Sie gibt ihm ihre Hand. Sie ist wieder ganz die Herrin von Neulohe. »Also dann auf Wiedersehen, Herr von Studmann. Ich sehe Sie nun wohl erst nach Ihrer Frankfurter Reise. Gute Geschäfte.«
»Verbindlichsten Dank«, sagt Studmann. Er sieht ihr etwas verzweifelt nach. Man müßte doch Klarheit haben, Bestimmtes besprechen, aber nein, nichts! Etzel und ein Handkuß! So macht man doch so etwas nicht!
Kopfschüttelnd setzt sich Studmann an die Abfassung eines Inserates: »Leute zum Kartoffelbuddeln sucht …«
Draußen weht der Septemberwind. Er fängt schon an, welke Blätter abzureißen, mit sich zu tragen.
Es ist Herbst, der Winter steht vor der Türe, spricht etwas in Frau Eva. Aber sie richtet sich straffer auf. Der Wind drückt die Kleider gegen ihren Leib, sie fühlt seine frische Kühle auf der Haut, sie geht ihm entgegen. Nein, es ist nicht für alles Herbst, nur für das, das sterbend reif ist. Sie fühlt sich noch jung. Sie geht dem Wind entgegen. Sie hat eine Probe bestellt, eine Art Gericht, sie pfuscht dem Schicksal ins Handwerk. Wird Herr von Prackwitz die Pacht bezahlen? Ja oder nein? Darauf kommt es nun an!
12
Geruhsam und bester Stimmung geht Pagel dem Walde zu, in den Wald hinein, den Gendarmen nach, auf den Zuchthäuslerfang. Ein Rittmeister von Prackwitz konnte ihm die Laune lange nicht mehr verderben. Was für ein Kind, solch ein Mann, ein törichtes, unüberlegtes Kind! Da kam er von seiner Reise zurück, mit einem krachneuen Auto, und das erste war, daß er dem jungen Mann den Herrn zeigte! Der junge Mann machte sich nichts daraus, er ging gerne in den Wald; es lag ihm nichts daran, auf dem gleichen Büro mit solchem Brötchengeber zu sitzen. Es gefiel ihm sogar besser im Walde!
Eine ulkige Kruke, solch Chef! Grobste einen Mann an, der doch jeden Augenblick den Finger heben, auf das Auto zeigen und fragen konnte: »Na – und meine zweitausend Goldmark?«
Nicht, daß man das grade täte! Studmann würde schon dafür sorgen, daß man eines Tages zu seinem Gelde kam, wenn man es brauchte. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da hatte man zum Rittmeister gesagt: »Ach, lassen Sie doch diesen Kram! Ich will das Geld ja gar nicht wiederhaben!«
Damals war der Rittmeister rot angelaufen und hatte sehr erregt von »Ehrenschulden« gesprochen. Zeit war seitdem ins Land gegangen, einiges hatte sich geändert, man hatte Briefe geschrieben und empfangen. Jetzt dachte man über Geld sehr anders, seitdem man von einem kleinen monatlichen, gnädigst vom Rittmeister bewilligten (obwohl man ja eigentlich noch
gar nichts
leistete), seitdem man also von einem jämmerlichen Taschengeld Briefmarken und Schuhsohlen, Wäsche, weiße Kragen und Zigaretten bezahlen mußte. Jetzt wäre einem eine kleine Abschlagszahlung manchmal ganz zupaß gekommen. Aber hätte man jetzt einen Ton davon geäußert, so wäre der Rittmeister wiederum rot angelaufen und hätte erregt gerufen: Aber, Pagel, Mensch, Sie wissen doch, wie meine Finanzen grade jetzt stehen!
Trotzdem hielt ein funkelnagelneues Auto vor der Tür! Trotzdem wurde man wie ein dummer Junge in den Wald geschickt. Wahrhaftig, putzige Kruke!
Pagel schlendert unter diesen Gedanken immer weiter durch den Wald. Er hat keine Ahnung, in welchem Jagen die Gendarmen treiben. Er war nicht dabei, als das auf dem Büro besprochen wurde. Aber wenn er sich nur auf den Kartoffelschlag zu hält, wird er sie schon finden!
Vorläufig geht er also weiter und denkt
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