Wolf unter Wölfen
bemerkte die paar feldgrauen Uniformstücke, die an hölzernen Kleiderhaken hingen. Er war sich unschlüssig, wie er »dorthin« fahren sollte, ob in seinem Räuberzivil oder in Uniform. Er dachte lange darüber nach, was richtiger wäre, aber er konnte es nicht herausbringen.
»Das Leben ist schwer«, sagte er, setzte sich auf einen Stuhl und dachte wieder darüber nach. Aber jetzt wollten seine Gedanken nicht mehr bei der Kleiderfrage verweilen, sie gingen weiter. Ihm fiel ein, daß ihm befohlen worden war, heute abend um neun mit seinen Leuten die Waffen aus dem Schwarzen Grund zu holen. Nichts zwang ihn, vorher dort nachzusehen. Waren sie weg, so waren sie um neun Uhr abends ebenso schlimm weg wie um zwölf Uhr mittags: Er mußte es nicht gewußt haben. Dieser Rittmeister mit Tochter würde schon das Maul halten, man wäscht seine dreckige Wäsche nicht vor allen Leuten. Nun kam ihn doch ein hohnvolles Grinsen an, wie dreckig dieser Tochter Wäsche war.
»Wie gemein ich bin! O wie gemein!« stöhnte der Leutnant, aber er meinte es nicht wirklich.
Am Ende war er genau so gemein, wie er in diesem Leben hatte werden müssen. Er sitzt da, den Kopf in den Händen, der Don Juan der Dörfer, der geheimnisvolle Leutnant Fritz, rasch in der Tat wie in der Liebe. Sein Leben ist Fleisch und Haar gewesen, Pulvergeruch und der blutige Geschmack langerKüsse, die glatten, kühlen Waffenschäfte in der Hand und die glatten, kühlen Glieder der Mädchen in ihren Kleidern, Feuer am Himmel von einem in Brand geschossenen Dorf, aber auch ewiges, verzehrendes Feuer im Leibe. Er kann kaltblütig eines Haase Hof in Brand stecken, wenn es ihm so paßt, aber er kann auch in einen brennenden Stall springen, um die Pferde herauszuholen – so ist er und nicht anders!
Und weil er so ist, wird er nicht bis zum Abend warten, um sich Gewißheit wegen des Waffenlagers zu holen. Nein, er wird sofort fahren, und ist es futsch, so ist er auch futsch, genau wie er es diesem verdammten Mädel gesagt hat! Er weiß wohl, für viele ist er ein Mann zweifelhafter Ehre, und der Major braucht ihn nur, weil er für gewisse Aufträge brauchbar ist. Aber er hat seine eigene Art von Ehre, und der beliebt es nicht, von dem Schweigen eines Fräuleins von Prackwitz abhängig zu sein.
Er steht mit einem Ruck auf, seine Unentschlossenheit ist von ihm abgefallen. Aus dem Schrank nimmt er den Handkoffer, und aus dem Handkoffer wühlt er unter der schmutzigen Wäsche seine Pistole hervor. Er steht da, die Pistole in der Hand. Sie ist gesichert, aber noch geladen von damals. Er erinnert sich sehr gut, er trieb dieses kleine Stinktier, den Meier, vor sich her, er war unentschlossen, er war feige – dann warf ihm der Kerl den Handkoffer vor die Füße!
Nein, er hatte kein Glück mit ihr gehabt, lauter schwankende Gestalten um sie: der feige Meier, der geschwätzige Kniebusch, dieser Kerl von einem Diener, der trottelhafte Vater, der glaubte, es wäre etwas, Wein in anderer Leute Gesichter zu gießen, und der dann, von der eigenen Heldentat knockout geschlagen, bekniffen am Tisch saß! Aber am meisten schwankte sie selbst, mit irgendeinem romantischen Anspruch an die Liebe: »Ich kann nicht ohne dich sein!« – wo doch jedes Mannsbild in Neulohe und in der Welt ihr geben konnte, was er ihr gegeben hatte!
Es hat geklopft, und mit einem Ruck läßt der Herr Leutnant die Pistole in die weite Tasche seiner Knickerbockergleiten, ehe er »herein« ruft. Aber es ist nur der Hausdiener Friedrich, der meldet, daß Herr Richter vorgeschickt hat, Herr Fritz möge doch gleich mal vorbeikommen.
»Schön, schön, wird gemacht, Friedrich«, sagt der Leutnant mit großer Leichtigkeit, obwohl er innerlich flucht.
Er zieht mit ruhiger Hand, mit großer Genauigkeit seinen Scheitel vor dem Spiegel, und der Friedrich, der natürlich auch, aber bloß als kleiner Mitläufer, im Komplott ist, sieht ihm aufmerksam zu. Der Leutnant beobachtet das Gesicht seines Hintermannes im Spiegel. Es ist ein grobes Gesicht, wie aus Lehm geknetet, mit einer unförmigen Nase. Aber so grob dies Gesicht ist, jetzt liegt unverkennbar ein besorgter, unruhiger Ausdruck darauf. Der Leutnant entschließt sich. »Na, Friedrich, wo brennt es?« fragt er und lächelt.
Der Friedrich sieht den Leutnant im Spiegel an, er sagt rasch: »In den Kasernen ist Stadtverbot.«
Der Leutnant lächelt überlegen: »Das wissen wir längst. Alles in Ordnung, Friedrich. Meinst du, man läßt die Leute vor so was in die
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